Otto Rosenberg, Das Brennglas

Otto Rosenberg, Das Brennglas

Inzwischen gibt es eine Fülle verschiedener Lebensgeschichten über Naziverfolgte und KZ-Insassen. Die von Otto Rosenberg erzählte und von Ulrich Enzensberger aufgeschriebene ist die eines deutschen Sinto, der vor der Machtergreifung Hitlers in Berlin ansässig war, dort zur Schule gegangen ist und Lesen und Schreiben gelernt hat. Es ist seine mit sehr schlichten Worten erzählte Lebensgeschichte, die dem Leser Einblicke in die Werte, Moral und Lebensgewohnheiten der damaligen Sinti geben, ergänzt durch Fotos.
Das Grauen in Auschwitz  beschreibt Rosenberg als etwas Alltägliches, dem die Insassen meist keine Beachtung mehr schenken: „Die Leichen gehörten zu unserem Tagesablauf. Sie waren einfach da, und wir mußten sie sehen. Sie waren nicht zu übersehen. … In so einer Lage verlieren die Leute das Gefühl für den Menschen.“
Und dennoch hat Rosenberg den Blick für das Menschliche nicht verloren. Immer wieder erzählt er von Begebenheiten, in denen Aufseher, z.T. auch SS- Leute kleine, menschliche Gesten zeigten: „Jeder hatte eine bestimmte Verantwortung, aber jeder hatte auch einen Posten, den er minder oder mehr auswerten und verschieden ausüben konnte. Er konnte die Leute schlagen, aber auch sehr gut mit ihnen umgehen. Das war den einzelnen überlassen.“
Er überlebt – krank an Körper und Seele – und hat dann nach 1945 mit Behörden zu tun, die ihm zustehendes Geld nicht gewähren mit Begründungen, die jeder Logik und realen Möglichkeit widersprechen: “ Sie wollten von mir eine Geburtsurkunde, nachdem  mir alle Papiere doch abgenommen waren! … Die Nazis saßen hinter den gleichen Schreibtischen, hinter denen sie vorher gesessen waren.“
Lange hat Rosenberger nicht über seine Erlebnisse reden könne, wie so viele. Denn obwohl das Grauen Jahre kaum mehr wahrgenommener Bestandteil des Alltags war, so hat die Seele nichts vergessen: „Wenn Feiertage waren, saß ich entweder in der Ecke, oder ich weinte oder trank, und dann wurde es noch schlimmer. Das geht erst jetzt, jetzt geht das erst. Jetzt kann man da besser drüber reden.“ Und er hat geredet: „Das Brennglas“ ist das lesenswerte Ergebnis.

Otto Rosenberger, Das Brennglas, Aufgezeichnet v. Ulrich Enzensberger, Mit einem Vorwort v. Klaus Schütz, Berlin 1998,  143 S. , inklusive Anmerkungen v. 12 S. , ISBN 3-8218-0649-4

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