William Trevor, Turgenjews Schatten

William Trevor, Turgenjews Schatten

„Einunddreißig Jahre lang hatte sie sich an eine Zufluchtsstätte geklammert, in der ihr Liebesverhältnis sich ausbreiten konnte, ein sicheres Haus, das ihr Schutz bot. Einunddreißig Jahre lang galt sie als verrückt und lebte in Frieden.“ „Turgenjews Schatten“ ist die Geschichte einer Liebesbeziehung, die nicht wirklich gelebt worden ist.
Die eher kindlich wirkende Mary Louise Dallon und der übergewichtige und doppelt so alte Elmar Quarry heiraten, nachdem er ihr sehr kurze Zeit den Hof gemacht hat: ein, zwei Kinobesuche, einige Spaziergänge, kaum Zeit sich kennen- und lieben zu lernen.
Warum sie geheiratet haben, fragt man sich immer wieder, das fragen sich vor allem Elmars Schwestern Rose und Matilda, die Mary das Leben auf jede nur erdenkliche Weise zur Hölle machen. Elmar, der eigentlich üppige Frauen erotisch findet, und Mary schlafen nie miteinander, so das ihre Ehe kinderlos bleibt, Elmar sucht Er-Lösung im Alkohol und wird zum Trinker.
Kurze Zeit nach ihrer Heirat besucht Mary ihren Cousin Robert, einen schwächlichen, kranken Mann, der ihr auf einem alten, verfallenen Friedhof Turgenjew vorliest. „Die Werbung ihres Cousins hatte darin bestanden, sie in die Welt eines Romanciers einzuladen, das war alles, was ihm möglich war, war das, was sie akzeptieren konnte.“ Beide sind sich mit einem Mal ihrer schon seit Kindertagen vorhandenen Liebe bewusst.
Doch Robert stirbt und Mary zieht sich immer mehr in eine selbst geschaffene (Traum-) Welt auf dem Dachboden zurück, die die anderen zu Spekulationen über ihren Geisteszustand veranlassen. Die Intrigen der Schwestern tun ihr übriges, so dass Mary in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wird.
Der Roman beginnt in dieser Anstalt, die aufgelöst werden soll. Mary gehört zu denen, die wieder nach Hause können, weil sie medikamentös eingestellt sind. In sich nun abwechselnden Kapiteln werden Einblicke in die psychische Situation des Ehepaares Mary und Elmar gegeben, die in Wirklichkeit jeder für sich leben und dann doch wieder nicht, da die Schwestern beide nicht in Ruhe lassen können, und die Vorbereitungen zur Rückkehr Marys erzählt, die nur noch einen Wunsch hat, neben ihrem Cousin Robert beerdigt zu werden. „Das Begräbnis findet statt, und dann liegen die Liebenden beieinander.“ Ein fast tröstliches Ende.

William Trevor, Turgenjews Schatten, a.d. Englischen v. Thomas Gunkel, Marburg 1993, 252 S., ISBN 3-89398-109-8

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