Jacques Lusseyran, Das wiedergefundene Licht

Jacques Lusseyran, Das wiedergefundene Licht

„Das wiedergefundene Licht“ ist die beeindruckende „Lebensgeschichte eines Blinden im französischen Widerstand“.

Mit nur acht Jahren hat Jacques Lusseyran durch einen Unfall sein Augenlicht verloren. Er bestreitet vehement, dass er blind ist. Er ist ein sehender Blinder. Blind empfindet er sich nur in Momenten völliger Verzweiflung und Angst, wenn er sich seines inneren Lichtes nicht mehr bewusst ist und es dann auch nicht mehr wahrnehmen kann. Dieses innere Licht ist für ihn die Anbindung an einen Schöpfergott, bei dem er sich aufgehoben und geborgen fühlt. Für ihn ist es die Quelle allen Lebens.

Jacques fühlt sich nicht behindert, weil seine Eltern, seine Spiel- und Schulkameraden ihn nicht so behandeln, sondern ihn fordern und ihm die nötige Freiheit lassen, eigene Erfahrungen zu machen. So hat er im Dorf seiner Großeltern, wo er die Schulferien verlebt, einen komplett leeren Raum zur Verfügung. Dort kann er sich austoben und ausprobieren, was möglich ist. Klettergerüste im Garten verhelfen ihm zu Kraft und Geschicklichkeit, so dass er mit Hilfe anderer Kinder die Welt (des Dorfes) erobern kann.

Seine Blindheit ist für ihn nicht wirklich Einschränkung sondern „ein Riß, der plötzlich im Gewebe meines Lebens aufklaffte, eine Spalte, durch die ich unendliche viele Möglichkeiten gewahrte, und alle waren überraschend und drängten sich mir entgegen.“ Er empfindet seine Blindheit zum Teil sogar als eine Art Droge, da die Blindheit gewisse Empfindungen steigert, „sie verleiht den Wahrnehmungen des Gehörs und des Gefühls zum Beispiel eine plötzliche, oft verwirrende Schärfe.“ Er lebt- trotz oder gerade wegen seiner Behinderung – in einer nicht nur innerlich außerordentlich vielfältigen Welt, er erlebt Reichtum in jeder Hinsicht. Dichter, Götter und Personen der Weltgeschichte sind für ihn Weggefährten, nahezu genau so real wie sein langjähriger Begleiter Jean.

Dennoch müssen er und seine Eltern mannigfache Hindernisse und Widerstände überwinden, damit Jacques gemeinsam mit anderen Kindern unterrichtet werden, ein Gymnasium und später dann auch die Universität besuchen kann. Insofern ist diese Lebensgeschichte immer noch sehr aktuell hinsichtlich der in Deutschland bevorstehenden Inklusion.

Dass Jacques dann im immer größer werdenden Widerstand der Franzosen gegen die deutsche Naziherrschaft eine zunehmend wichtigere Rolle einnimmt, wundert den Leser dann nicht mehr wirklich, da man ihm das einfach zutraut. Dennoch ist die Leistung unglaublich, die er mit anderen aufbringt. Sie produzieren und verteilen eine an Auflage und Stärke stets wachsende Zeitung, die im Gegensatz zur Nazipropaganda wahre Nachrichten verbreitet.

Ein Spion der Nazis verrät die Organisation, was die Deportation fast aller in KZs zur Folge hat. Lusseyrant kommt nach Buchenwald und entgeht dort nur knapp dem Tod. Er wird krank und erlebt die Phasen seiner Krankheit sehr bewusst mit. Er weiß:

„Mein Körper schickte sich an, diese Welt zu verlassen.“ Und genau in dieser Phase erlebt er: „Das Leben war eine Substanz in mir geworden. Sie drang mit einer Kraft, die tausendmal stärker war als ich, in meinen Käfig ein.“ Er wird wieder gesund und sucht sich eine Aufgabe: „Ich konnte endlich den anderen helfen. … Ich konnte ihnen zu zeigen versuchen, wie man am Leben bleibt. Ich barg in mir eine solche Fülle an Licht und Freude, daß davon auf sie überfloß. Seither stahl man mir weder mehr mein Brot noch meine Suppe, kein einziges Mal mehr.“

Er überlebt das KZ, was nicht alle seiner Kameraden geschafft haben. Damit endet seine Lebensgeschichte, ein Dokument menschlicher Größe in Zeiten zunehmender Entmenschlichung.
Lusseyrant heiratet später, wird Universitätsprofessor und Schriftsteller in den Vereinigten Staaten.

Jacques Lusseyran, Das wiedergefundene Licht. die Lebensgeschichte eines blinden im französischen Widerstand, a.d. Franz. von Uta Schmalzriedt, München 14. Aufl. 2004, 241 S., ISBN 3-423-30009-4

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