Charles Jackson, Das verlorene Wochenende

Charles Jackson, Das verlorene Wochenende

Die Originalausgabe dieses Romans ist bereits 1944 in New York erschienen. Der Dörlemann Verlag in Zürich hat diesen Roman neu verlegt. Ich finde: eine gute Entscheidung.

„‚Das Barometer seiner Gefühlsnatur zeigte eine Unwetterperiode an.'“ liest Don Birnam in einem Roman und spürt die „verstörende Wirkung“ dieses Satzes, eines Satzes, den er selbst geschrieben haben könnte.

Don ist ein belesener, intelligenter Trinker, der gerne klassische Musik hört, wenn er trinkt. Er ist ein Quartalssäufer, beherrscht „alle Winkelzüge eines Trinkers“ (R.Moritz im Nachwort) und glaubt, alles im Griff zu haben, vor allem sein Trinken. Er täuscht, belügt, betrügt, klaut, macht Verprechungen, von denen er weiß, dass er sie nicht einhalten wird und amüsiertsich still und heimlich, wie sehr die anderen bemüht sind, ihm zu glauben, ihm ihre Zweifel, ihreVerzweiflung nicht zu zeigen. Er konfrontiert sich mit seiner Scham über sein Verhalten, sein Leben, ohne jedoch etwas verändern zu wollen, rutscht gedanklich regelmäßig in seine Vergangenheit, wenn er getrunken hat. Und er trinkt immer, trinkt nur, vergisst sogar zu essen, stürzt immer wieder ab erkennt den Teufelskreis, die Endlosschleife, im der er sich befindet:

„Er wusste das alles, er war kein Idiot wie andere Leute (die seinen Versprechungen glaubten,obgleich er es selbst nicht tat); und trotzdem verlangte es ihn nach jenem Drink, der das ganze Verderben erneut über ihn bringen würde.“

Wie sehr er sich und seiner Umwelt etwas vormacht, vor allem seinem Bruder Mick und seiner Freundin Helen, die einzigen ihm noch verbliebenen Menschen, die ihm bei seinen regelmäßigen Abstürzen noch zur Seite stehen, erkennt man als Leser schon auf den ersten Seiten, wenn Don versucht, seinem Bruder klar zu machen, dass er mit ihm kein verlängertes Wochenende auf dem Land verbringen will.

Was dann folgt ist ein Wochenende mit Don, für den Leser kein „verlorenes“ Wochenende, denn der Roman ist in jeder Hinsicht ein eindringliches, sprachlich brilliant geschriebenes Psychogramm eines Trinkers und Suchtkranken.

Und man folgt Don gern in die Kneipen, begleitet ihn bei seinen Bemühungen, an Geld zu kommen, erlebt seine Sicht der Welt, seine Wahnvorstellungen, seine scheinbare und tatsächliche Klarheit in der Einschätzung seiner Situation, sein Bemühen darum, nicht wie ein Alkoholiker zu wirken, nicht wie ein Penner auszusehen, sondern wie ein Gentleman, der bei Frauen ankommt. Ja, der Roman beschreibt ästhetisch, poetisch und dennoch glasklar das Leben eines Trinkers, der über die lächelt, die nach einer durchzechten Nacht keinen Alkohol mehr sehen oder riechen können, denn da beginnt bei ihm das eigentliche „Vergnügen“ wieder.

Charles Jackson, Das verlorene Wochendende, a.d. Amerik. v. Bettina Abarbanell, mit einem Nachwort v. Rainer Moritz, Dörlemann Verlag Zürich, 348S., ISBN 978-3-03820-007-9

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