Volker Kutscher, Märzgefallene

Volker Kutscher, Märzgefallene

„Märzgefallene“ ist Gereon Raths fünfter Fall und beginnt zunächst ziemlich unspektakulär:

„Der Mann saß an einem stählernen Pfeiler im Schatten der Hochbahntrasse, das Kinn auf die Brust gesunken, als sei er nur kurz eingenickt. Man hätte denken können, er schlafe seinen Rausch aus, so kauerte er da, in einem alten geflickten Soldatenmantel, in Wickelgamaschen und löchrigen Handschuhen, eine dicke Wollmütze auf dem Kopf.“

Es ist ein obdachloser Stadtstreicher, der offensichtlich schon Tage daliegt, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Böhm, Gereons Vorgesetzter, beginnt mit den Ermittlungen, denn der Mann ist mit einem Grabendolch aus dem ersten Weltkrieg erstochen worden.

Diese Ermittlungen stellen sich als umfangreich und verzwickt dar, denn die Vorgeschichte reicht bis in die Wirren des ersten Weltkrieges. Weitere Morde, alle mit einem Grabendolch ausgeführt, folgen und die zunächst schleppend durchgeführten Ermittlungen – viele Mitarbeiter der Mordkommission sind nach dem Reichtagsbrand für die sich daran anschließende Kommunistenhatz zur Politischen Polizei beordert worden – werden forciert, als der neue Polizeipräsident die Chance sieht, dass ein Jude die Morde verübt haben könnte.

Gereon eckt mit seiner Art zu ermitteln zunehmend stärker an. Seine Versuche, sich der neuen politischen Entwickung zu entziehen und nur seine Arbeit zu machen, werden immer schwieriger. Im Gegensatz zu Charly, seiner Verlobten, glaubt er immer noch, dass das „neue Deutschland“ nur eine vorübergehende Erscheinung sei.

Doch irgendwann kann auch Gereon seine Augen vor den Veränderungen nicht mehr verschließen: Mitarbeiter der Mordkommission werden beurlaubt, degradiert und entlassen oder kalt gestellt. Die, die folgen, haben die „richtige“ Gesinnung und ermitteln in die „richtige“ Richtung. Gereon durchschaut diese Farce, kann aber offiziell nichts unternehmen, ohne sich selbst zu gefährden. Also ermittelt er in seiner Freizeit solange auf eigene Faust, bis er den Fall gelöst und den tatsächlichen Mörder gefunden hat. Unterstützt wird er bei dieser gefährlichen Unternehmung von Charly, die zunehmend unglücklicher mit ihrer Arbeit ist.

„Märzgefallene“ sind sechshundert Seiten gut lesbare, spannende Unterhaltung, die sich aus den komplizierten Ermittlungen und der politischen Entwicklung ergibt, die spürbar in alle Bereiche des täglichen Lebens hineinspiel. Der Leser freut sich, alte Bekannte aus den vorherigen Romanen wiederzutreffen und erlebt auf sehr subtile Art mit, wie sich die neuen Machthaber etablieren und was die politische Entwicklung mit den Menschen macht, froh, zu der Zeit nicht gelebt zu haben.

Man jagt durch den Roman, weil man erfahren will, wer der Mörder ist, wohlwissend, dass dann auch der Roman zu Ende sein wird und das Erscheinen des nächsten Falls noch ein Weilchen dauert. Und das ist dann auch wieder gut so, da die Romane akribische Recherchen voraussetzten.

Volker Kutscher, Märzgefallene, Gereon Raths fünfter Fall, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014, 603 S., ISBN 978-3-462-04707-3

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