Nino Vetri, Mamas wunderbares Herz

Nino Vetri, Mamas wunderbares Herz

Sie mögen moderne Scheherazaden? Dann lesen Sie Nino Vetris Geschichten, die in Palermo spielen. Es sind grotesk, komisch, ironisch und nicht ganz ernst zu nehmende Alltagsgeschichten, in denen komische Kauze aller Art vorkommen: Das gibt’s das Genie, den Flüchtigen, den Alten, einen Wahrsager mit Computer und einen Priester, der seine Schafe beschimpft, statt ihnen die Absolution zu geben:

„Glaubt ihr vielleicht, die Tore des Paradieses würden von Jammerlappen und Herdenvieh aufgerissen werden, nur weil ihr nicht gemordet und geraubt und eure Frau nicht verdroschen habt? Ich werde sie euch jedenfalls nicht aufsperren … Ich würde euch für den Rest eurer Tage in der Zelle vermodern lassen. Aber wir haben doch gar nichts getan …, wollt ihr sagen. Und genau deshalb! Nichtsnutze, die ihr nur eure Nudeln und den Wein dazu im Sinn habt. Ich gebe euch den Segen, aber keine Absolution. Gehet hin in Frieden. Pack!“

Von Himmel und Hölle ist auch noch in anderen Bereichen die Rede, etwa wenn der noch jugendliche Ich-Erzähler unter Alkoholeinfluss nicht mehr wirklich unterscheiden kann, ob er sich im Paradies oder in der Hölle befindet, als meditativ und kontemplativ empfindet er den Zustand allemal.

Phantasie, Träume und Wirklichkeit verwirbeln, gehen ineinander über und der Leser kann sich von diesem Sog einfangen lassen wie der Vater des Jungen. Dieser findet schnell heraus, dass er mit seinen Geschichten einer Bestrafung durch den Vater entgehen kann, witzigerweise meist mit Geschichten, die sich dann als „wirklich“ herausstellen. Liebevoll wird er vom Vater als „Scheherazade“ bezeichnet. Und so erzählt er, auch reflektierend über Erfindung und Wahrheit in der Literatur:

„Wie doch manchmal die Wirklichkeit die Phantasie überholt!… Und mich erinnerte all das an Bücher. Daran, wie Bücher funktionieren. Vor allem die ohne große Beschreibungen in allen Details. … Im Buch siehst du nichts, das Buch liefert dir nur das Gerüst, das Skelett der Dinge. Das Fenster musst du selber bauen. Und genauso sind in Büchern die Straßen, die Autos, die Männer, die Frauen…
Und deshalb schien es mir, ich lebte in einem offenen Buch,“

Es ist ein ungewohntes Fenster, durch das man mit der eigenen Phantasie und Befindlichkeit schauen kann.

Nino Vetri, Mamas wunderbares Herz, Geschichten aus Palermo, a.d. Ital. v. Andreas Rostek, edition.fotoTAPETA, Berlin 2015, 117 S., ISBN 978-3-940524-34-8

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