Sigismund Krzyzanowski, Der Club der Buchstabenmörder

Sigismund Krzyzanowski, Der Club der Buchstabenmörder

„Der Club der Buchstabenmörder“ ist ein in jeder Hinsicht ungewöhnliches Buch.
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Der Ich-Erzähler erfährt im Gespräch mit einem Schriftsteller die Gründe dafür, warum er seit Jahren nichts mehr publiziert und auch nicht mehr publizieren will. Sein Schreibtisch soll ihm nicht länger als „Friedhof für seine Einfälle dienen.“ Seine Bücherregale sind leer. Er, der früher ein „beinahe religiöses Verhältnis zu Büchern“ gehabt hat, besitzt keine mehr, starrt nur noch „auf die mit Schwärmen von Sonnenstäubchen erfüllte Bücherlosigkeit“, in den „Reihen schwarzer, vollkommen leerer Bücherregale“.

Zu Beginn hat er sich allein „mit der Leere der Bücherregale“ unterhalten. Er hat aufgrund einer Krise für sich die Erfahrung gemacht, dass „Ideen Liebe und Schweigen verlangen“. Nach und nach bildet sich der Club der Büchermörder oder Ideensammler, die sich regelmäßig samstags treffen, um sich Geschichten zu erzählen, selbstverständlich mündlich, ohne Aufzeichnungen. Sie sprechen sich auch nicht mir ihren Namen an, sondern mit erfundenen, einsilbigen Namen wie Tyd, Ses, Hiz oder Hok.

So unterschiedlich die Mitglieder sind, so unterschiedlich sind auch die von ihnen vorgetragenen Geschichten – nicht immer leichte Kost, inhaltlich und sprachlich, stets eine – wenn auch genussvolle – Herausforderung für den erfahreneren Leser, der sich mit zahlreichen literarischen, philosophischen oder religiösen Anspielungen in den Texten konfrontiert sieht.

Der vormals erfolgreiche Schriftsteller lädt den Ich-Erzähler zu diesen samstäglichen Treffen ein. Da gibt es Geschichten, in denen mit dem Verhältnis von Rolle, Realität und Schauspielerei in einem Stück von Shakespeare gespielt wird, der Leser von mittelalterlichen Eselsmessen hört oder von Exen, Menschen, bei denen die Muskeln von ihren Nervenzentren abgekoppelt werden und die damit zu steuerbaren Wesen werden, die keinen eigenen Willen mehr aufweisen und aufbringen können. Ein Horrorszenario, eine „(Anti-)Utopie entsteht. „Weit über eine Sowjetunion-Kritik hinaus leitet sie das Totalitäre aus der technischen Moderne her und stellt die Frage nach dem Kern des Menschlichen und dessen möglicher Aufhebung.“ schreibt Thomas Grob darüber in dem lesenswerten Nachwort.

Sehr humorvoll ist die Erzählung, in der es um die Wichtigkeit des menschlichen Mundes geht: Was ist wichtiger? Küssen, Essen oder Sprechen? Und drei, die es wissen wollen, begeben sich in das „blühende Land der Fragen“, müssen aber auch ihre Erfahrungen mit dem „Land der antworten“machen.

Der „Club der Buchstabenmörder“ ist ein in vielerlei Hinsicht herausragender Band, sicher nicht für jeden Leser. In mir hat er den Wunsch nach weiteren Publikationen dieses Autors entstehen lassen.

Sigismund Krzyzanowski, Der Club der Buchstabenmörder, a.d.Russ. v. Dorothea Trottenberg, mit einem Nachwort von Thomas Grob, Dörlemann Verlag, Zürich 2015, 223 S., ISBN 978-3-03820-019-02

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