Sandra Hughes, Fallen

Sandra Hughes, Fallen

image
Auf der Grundlage einer Zeitungsmeldung erzählt Sandra Huges diesen in vier Kapiteln gegliederten Romen, der ein Jahr der Kleinfamilie Gerber umfasst.

„Bis später.“
So verabschiedet sich Sohn Luca auf dem Weg zum Bankomaten, um Geld für den ersten Urlaub ohne seine Eltern, aber mit seinen Freunden abzuholen.

„Fahr vorsichtig“ ruft Vera, seine Mutter, ihm nach, wie sie ihm das jeden Morgen nachruft. Schnell wird deutlich, dass Vera enorme Schwierigkeiten hat, Luca aus ihrer Obhut zu entlassen, ihn loszulassen. Schon bald wird sie unruhig, weil Luca länger braucht, als man normalerweise für diesen Weg braucht. Sie überlegt, wie sie reagieren soll, denn sie merkt schon, dass ihre (Für-)Sorge Unmut bei ihrem Sohn auslöst. „Mama! … es reicht!“

Eine Stunde später stehen Polizisten vor der Tür und teilen ihr und ihrem Mann Jan mit, dass Luca im Krankenhaus sei, nachdem er vor dem Bankomaten liegend gefunden worden sei.

Später erfahren sie, dass Luca wegen eines Schlaganfalles zu Boden gegangen ist und zehn Personen an ihm vorbeigegangen sind, ohne den Jungen anzusprechen oder Hilfe zu holen. Das haben die Aufzeichnungen Überwachungskameras ergeben.

Luca ist gelähmt, kann nicht sprechen. Es ist auf lange Sicht – mit nicht vorhersehbarem Ergebnis – ein Pflegefall. Vera landet in einer emotionalen Hölle, braucht Tabletten, wagt sich kaum aus dem Haus, kann nicht mehr arbeiten, meidet jeden Kontakt, ist dann später aber wütend, dass sich keiner mehr um sie kümmert. Auch ihr Mann versteht sie und ihre Handlungsweise nicht. Sie entfremden sich zunehmend.

Vera ist depressiv, kaum handlungsfähig und daher auch nur begrenzt Hilfe für ihren Sohn, der ihr übers Handy mitteilt:

„Hör mit dem heulen Auf bist du gelämt oder ich ???“

Sprechen kann Luca noch nicht und mit seiner Mutter will er es auch nicht, auch später nicht, als er nach Rehamaßnahmen wieder zu Hause ist.

Erst in einer Einrichtung gelingt es Luca, sich in einen Tagesablauf zu integrieren. Vera werden Besuche untersagt, da die Betreuer der Ansicht sind, dass etwas Distanz entlastend sein kann.

So ist auch Vera gezwungen, ein eigenes Leben zu suchen und von ihrem Sohn zu lassen, „von ihrem König, der sie von allem Suchen befreite, … der Herrscher über ihr Befinden“ gewesen ist.

Beide haben durch diesen unglückseligen Krankheitsfall also die Chance, nach ihrem Weg zu suchen, ein eigenes Leben zu führen.

„Du hast keine Kraft, hatte ihre Mutter früher gesagt, woher auch. Nie hast du Schlimmes erlebt, das dich stark macht. Doch wollte sie dann jeweils sagen, aber sie sagte es nie. Du hast mich auf diese Welt gebracht, das ist schlimm genug, wie soll ich das alles bestehen?“

Der Roman ist in gut nachvollziehbarer Sprache, einfach und knapp gehalten, was Raum lässt für eigene Gedanken und Freiräume, das Gelesene für sich selbst zu überprüfen.

Das Buch hat ein sehr lesefreundliches Format und ist mit einem passenden Lesebändchen ausgestattet, was man aber kaum braucht, da man den Roman nahezu in einem „Rutsch“ lesen kann, wenn man sich die entsprechende Zeit nimmt.

Sandra Hughes, Fallen, Roman, Dörlemann Verlag, Zürich 2015, 157 S., ISBN 978-3-03820-929-4

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert