Jehuda Bacon, Manfred Lütz, „Solange wir leben müssen wir uns entscheiden.“

Jehuda Bacon, Manfred Lütz, „Solange wir leben müssen wir uns entscheiden.“

Wie geht Leben in und nach Auschwitz?

Solange wir leben muessen wir uns entscheiden von Manfred Luetz

Dieser Frage gehen Jehuda Bacon und Manfred Lütz in einem Gespräch nach, das die beiden in Israel geführt haben, wo Bacon seit 1946 als Künstler lebt. Er hat zunächst an der Bezalel-Akademie studiert und dort später als Professor Grafik gelehrt.

Wie schafft man es, in der Hölle von Auschwitz nicht zu zerbrechen, zwei Todesmärsche zu überleben und anschließend ein weitgehend zufriedenes, künstlerisch kreatives Leben zu führen und nicht zu versteinern, zu verbittern?

Für Jehuda waren es die Menschen, denen er begegnet ist und die sich einen, wenn auch manchmal nur winzigen „Funken Gottes“ in sich bewahrt haben und seiner Meinung nach deshalb menschlich gehandelt haben, handeln konnten.

Von diesem Funken hat ihm einer seiner Lehrer vor dessen Deportation nach Auschwitz erzählt, der davon überzeugt war, „dass es in jedem Menschen einen unauslöschlichen Funken gebe. An diesen Funken erinnert er sich, als er selbst nach Auschwitz kam. Und diesen Funken hat er in seinem Leben durch seine ganze Existenz zum Leuchten gebracht.“

Er lebt aus der Überzeugung heraus: „Lebe dafür, solange du kannst, bei den anderen noch ein Lächeln zustande zu bringen.“

Nach dem Krieg war es vor allem Premysl Pitter, der ihm das Vertrauen in die Menschen wieder zurückgegeben hat, weil er die Kinder, die er in seinen Heimen betreute, bedingungslos lieben konnte:

„Das Eigenartige war, dass er nichts von uns wollte, sondern uns einfach nur seine Liebe gab, sich mit seiner ganzen Persönlichkeit dahingab. Plötzlich sahen wir, da ist jemand, der nichts will, aber alles gibt, hauptsächlich die Liebe, der wir in Auschwitz und überhaupt im Krieg nicht mehr begegnet waren.“

Aber es sind auch die Fähigkeit, das Erlebte in Bildern zu verarbeiten. „Meine Bilder haben mich gerettet!“ und der Wunsch, „dass es den Nazis nicht gelingt, aus mir einen kleinen Nazi zu machen, einen Menschen, der voller Hass ist.“

Es ist ein berührendes Buch über einen kleinen Mann mit offensichtlich großer Warmherzigkeit, „von einer geradezu anmutigen Bescheidenheit und einer heiteren Demut“. Ein Buch, das einen vielleicht darüber nachdenken lässt, wie es um den eigenen Funken bestellt ist, was letztlich ja die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens ist.

Jehuda Bacon ist fest davon überzeugt: Leiden bringt „wie ein Katalysator etwas hervor, was man im gewöhnlichen Leben vielleicht erst am Ende des Lebens erreichen kann. Und wenn man es so tief erlebt, dann kann es einen transzendente Sinn bekommen.“

Es ist also kein Buch über Auschwitz, sondern über die Frage nach einem sinnvollen Leben. Bacon hat für sich Antworten gefunden, weiß aber, dass es eine lebenslange Suche sein wird: „Jeder Mensch sucht. Solange wir leben suchen wir.“

Darin wäre er sich sicher mit Viktor Frankl einig, wenngleich beide damit bestimmt kein Plädoyer oder eine Rechtfertigung für menschliches Leid abgeben, wohl aber einen sinn-vollen Umgang damit. Doch das ist hohe „Lebenskunst“ – beiden scheinen darin erfolgreich (gewesen) zu sein.

Jehuda Bacon, Manfred Lütz, „Solange wir leben, müssen wir uns entscheiden.“ Leben nach Auschwitz, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2016, 191 S., ISBN 978-3-579-07089-6

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