Jane Austen, Vernunft und Gefühl

Jane Austen, Vernunft und Gefühl

„Vernunft und Gefühl“ hat Jane Austen im Alter von nur zwanzig Jahren geschrieben. Sie ließ diesen Roman auf eigene Kosten anonym drucken.

„Vernunft und Gefühl“ ist nun in einer Neuübersetzung von Andrea Ott im Manesse Verlag erschienen, ein Roman, den man als Kammerstück bezeichnen könnte, spielt die Handlung doch überwiegend in der Familie der Dashwoods, der Witwe Mrs. Dashwood und ihren drei Töchtern Elinor, Marianne und Margaret, die aber mit ihren dreizehn Jahren eigentlich keine Rolle spielt, da sie noch nicht im heiratsfähigen Alter ist.

Wie in einem Drama macht das erste Kapitel die Situation der Hauptakteure sichtbar. Mutter und Töchter werden dem Leser in ihren Haupteigenschaften präsentiert, so dass klar wird, welche Rolle sie im Verlauf der Handlung einnehmen werden: Eleonore besitzt mit ihren neunzehn Jahren „einen scharfen Verstand und ein unbestechliches Urteil, was sie dazu befähigte, … die Ratgeberin ihrer Mutter zu sein und Mrs. Dashwoods Überschwänglichkeit, die in den meisten Fällen zu leichtsinnigem Handeln führte, zum Besten aller zu dämpfen.“ Marianne „war klug und begabt, aber in allem übereifrig; sie kannte in Freud und Leid kein Maß. Sie war großzügig und anziehend, sie war alles nur nicht besonnen. Die Ähnlichkeit mit der Mutter war auffallend.“ Margaret wird als „fröhliches, gutmütiges Mädchen“ bezeichnet, die offensichtlich aber den beiden Schwestern nicht „das Wasser“ reichen kann.

Von Anfang an wird deutlich, in welch missliche Situation der Tod Mr. Dashwoods, der noch einen Sohn aus erster Ehe hatte, die Frauen gebracht hat, die nun von eben diesem Sohn finanziell abhängig sind, da das Testament nicht eindeutig formuliert ist.

„Kaum war der Vater begraben, traf Mrs. John Dashwood mit ihrem Kind und der Dienerschaft auf Norland ein, ohne ihre Schwiegermutter davon in Kenntnis gesetzt zu haben. Niemand konnte bestreiten, dass sie das Recht hatte zu kommen; von dem Moment an, da der Vater gestorben war, gehörte das Haus ihrem Mann. Die Taktlosigkeit ihres Verhaltens war dennoch unbestreitbar.“

Mrs. Dashwood zieht mit ihren Töchtern in ein kleines Cottage, um die Lebenshaltungskosten möglichst gering zu halten. Ihre Töchter sind darauf angewiesen, sich nach Ehemännern umzusehen, die sie trotz des geringen Vermögens heiraten wollen, nicht immer eine Frage von gegenseitiger Liebe, was sowohl Elinor als auch Marianne erleben müssen, die sich beide in Männer verlieben, die entweder schon versprochen sind oder sich aus finanziellen Gründen nach vermögenderen Frauen umsehen. Der Roman ist demnach letztendlich ein Liebesroman, allerdings einer von besonderer Art, denn er ist letztendlich doch ein Plädoyer für die Liebe.

Ohne es direkt zu thematisieren, erhält der Leser nämlich Kenntnisse in die privatgesellschaftliche Welt des 19.Jahrhunderts mit ihren Normen, Konventionen und Gepflogenheiten, in denen persönliches Glück, romantische Liebe scheinbar keine Bedeutung haben oder wenn, nur in den Träumen junger Mädchen, die an der Realität kläglich zu scheitern drohen. Die Personen des Romans präsentieren „zeitlose Archetypen, die volle Bandbreite charakterlicher Dispositionen“ wie Denis Scheck in seinem sehr persönlich gehaltenen Nachwort schreibt.
Die gesellschaftlichen Abhängigkeiten und familiären Beziehungen und Verflechtungen, ihre oft recht unterschiedlichen Vorstellungen von Liebe und Ehe, die finanzielle Raffgier und der Geiz, vor allem der des Bruders und seiner Frau, werden zum Teil ironisch bis sarkastisch, immer aber sprachlich treffend beschrieben. Ein Genuss!

Jane Austen, Vernunft und Gefühl, Roman, a.d. Engl. von Andrea Ott, Nachwort v. Denis Scheck, Manesse Verlag Zürich 2017, insgesamt 410 S., ISBN 978-3-7175-2354-3

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