Christian Bobin, Das Kind, der Engel und der Hund

Christian Bobin, Das Kind, der Engel und der Hund

Dieses Buch ist eine Entdeckung. Es ist eine Biografie über Franz von Assisi, gleichzeitig eine originelle Geschichte der Entwicklung des christlichen Abendlandes, die letztlich kein wichtiges Thema, auslässt, dennoch gut lesbar, spannend und wunderbar naiv, fast mystisch geschrieben, wobei die benutzten Metaphern oft sehr direkt und derb sind.
Bobin spricht zu Beginn von der Schönheit aller liebender Mütter:“ Die Schönheit kommt von der Liebe, wie der Tag von der Sonne kommt, wie die Sonne von Gott kommt, wie Gott durch eine von ihren Niederkünften erschöpfte Frau ans Licht kommt.“ Franz lässt alles hinter sich, seine Eltern, die sich ihm widersetzen, seine Herkunft, seinen Status, vermeintliche Sicherheiten und geht in die Welt, um den Tieren, die immer schon zwitschern und singen, die „Wahrheit ihres Gesangs“ aufzuzeigen, für Bobin Gelegenheit, sein Verständnis der Bibel, angefangen bei der Erschaffung der Welt, darzulegen: „Man ist in der Genesis wie im Brustkasten Gottes, gleich beim Zwerchfell: bei jedem Schwellen des Atems erhebt sich die Welt, …“ Das jüdische Volk habe Gott „im Liebeskummer für sich erfunden“, für das er auch mithilfe von Eseln sorge, die im Gegensatz zum Menschen Engel als Schützer Gottes zu erkennen vermögen. Franz hat inzwischen eine Reihe von Mit-Streitern, für die er sich Regeln der Armut ausdenkt, die ein Verweilen, ein Sesshaftwerden ausschließen sollen, und Klara, eine Frau als Begleiterin, in der er einen „auserlesenen Gesprächspartner“ gefunden hat.  Eine Augenkrankheit lässt ihn sich später in die Einsamkeit der Wälder zurückziehen, er schreibt seinen Sonnengesang, der auch den Tod als Bruder lobpreist, da der Tod letztendlich nur die letzte Grenze niederreißt.
Am Ende des Buche bekommt man eine Ahnung davon, was es bedeuten kann, wenn es heißt: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder. Und Franz stirbt wie ein Kind, „das ohne sichtbaren Grund sein Spiel unterbricht und da verharrt, plötzlich bleich, reglos, stumm – und nur noch zu lächeln weiß.“
Den Grund, weshalb es vielen Menschen, vor allem aber in der Gegenwart so schwer fällt, den „Geist der Kindheit“ der immer neu auf Entdeckung der Welt unterwegs ist, zu leben, kennt Bobin: „Der Mensch der Vernunft ist ein angesammelter, gestapelter, konstruierter Mensch.“
Es ist ein Buch, das in seiner Eigentümlichkeit mit dieser Rezension kaum wiedergegeben ist. Eigentlich ist es ein Buch über die Liebe, die Liebe Gottes zu den Menschen, der Menschen zu Gott, die so unvollkommene Liebe der Eltern zu ihren Kindern,  die schwer zu lebende Liebe zwischen den Geschlechtern, die ihre Liebe in den Ehen abnützen. Es ist ein Buch, das indirekt appelliert, der Perspektive des Herzens zu folgen, und die Konsequenzen und Unsinnigkeiten aufzeigt, die sich einstellen, wenn man es nicht macht.
Man muss dem Autor sicher nicht in allem zustimmen und folgen,  dennoch bleibt genug für die eigene Auseinandersetzung. Ein Buch in Griffweite zu deponieren.

Christian Bobin, Das Kind der Engel und der Hund, Ein Roman über Franz von Assisi, Aus dem Französischen übersetzt von Maria Otto, Freiburg 1994, 144 S. ISBN 3-451-23463-7

5 Gedanken zu „Christian Bobin, Das Kind, der Engel und der Hund

  1. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich gedanklich nach Alltagslücken zum Lesen suche, wenn ich hier bei dir bin.
    Ich habe „Bruder Feuer“ geliebt, habe mir mein Franziskusbild von Rinser malen lassen.
    Du machst Lust auf einen Bildervergleich.
    Später.
    Gabriela

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