Luise Rinser, Bruder Feuer

Luise Rinser, Bruder Feuer

Gabriela hat mich in ihrem Kommentar zu Christian Bobins Biografie über Franziskus von Assisi auf die Darstellung Luise Rinsers in „Bruder Feuer“ aufmerksam gemacht. Ich habe das Bändchen in meinem Regal stehen und es gelesen.
Die 1975 entstandene Biografie ist nach Rinsers eigenen Angaben der Versuch einer „Verpopung der Geschichte des Franziskus von Assisi“ vergleichbar mit den damaligen Versuchen von Musikern, Klassiker dem Geschmack des Publikums näher zu bringen.
Ein Journalist soll in der „nüchternen Sprache eines skeptischen Zeitungsreporters“ eine Reportage über Franz schreiben, dem als „Hexer“, Verführer Minderjähriger der Prozess droht. Unlustig macht sich der Reporter auf den Weg und gerät an einen geschäftstüchtigen Jungen, der ihm Informationen und Kontakte zu Leuten, die Franz kennen, nur gegen Bares vermittelt. Der Journalist wird zunehmend verwirrter aufgrund der widersprüchlichen Aussagen der Zeugen, die je nach eigener gesellschaftlicher Position und Interessenlage die Handlungen und Verhaltensweisen sehr unterschiedlich beurteilen.
Die komplette Biografie spiegelt die in den Siebzigern im Umbruch befindliche Gesellschaft wider und bemisst ihre Handlungsweisen an den Werten des Evangeliums, die Franz radikal, kompromisslos lebt und damit die Nachfolge Jesus antritt, der – so die Botschaft dieser Biografie – ebenfalls angeklagt und sicher verurteilt würde, einfach weil christliches, menschliches Leben in der tatsächlichen Gesellschaft zum Ausschluss führt – zu allen Zeiten: zu Zeiten Jesus von Nazareths, zu Zeiten des Franz von Assisi, in den Siebzigern und – sicher auch heute.
Mich hat die Perspektive des Romans nicht überzeugt, man erfährt, erlebt Franz nur durch die Brille seiner Zeitgenossen, er selbst tritt nicht auf, der Journalist sucht den Kontakt zu ihm nicht wirklich, denn jeder sagt ihm, man könne über Franz nur schreiben, wenn man mit ihm lebe und das nicht nur für einen Tag, sondern für immer. Der offene Schluss soll dem Leser – ganz im Sinne der damaligen Zeit – Raum für eigenes Nachdenken, einen eigenen Schluss geben.
Die Schreibweise Rinsers hat mich ebenfalls nicht angesprochen, sie versprüht zuviel damaligen Zeitgeist. Nicht dass ich diesen für falsch halte, doch der kritisch, pädagogische Zeigefinger, der mich auf den richtigen Weg führen soll, ist mir zu dominant. Auch in der Musik halte ich mich lieber an die Originale als an die bearbeiteten Pop-Versionen.

Luise Rinser, Bruder Feuer, Frankfurt 1988, 121 S., ISBN 3-596-22124-2

2 Gedanken zu „Luise Rinser, Bruder Feuer

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