Tony Black, Geopfert

Tony Black, Geopfert

Gus Dury – der neue Rebus? Tony Black der Nachfolger Ian Rankins? Fragen, die mich als Leserin nicht wirklich tangieren. Ich möchte gerne einen interessanten Fall mit einem interessanten Ermittler, egal ob er nun offiziell oder wie Gus Dury inoffiziell ermittelt – ähnlich wie Wilbert, der Münsteraner Buchhändler und Hobbyermittler – oder ist er eher Ermittler und Hobbyantiquar?  Egal!
„Bei Beerdigungen bekomme ich immer feuchte Augen.“ So beginnt der erste Krimi Tony Blacks. „Es sind Details wie die Todesursache, die mich völlig fertig machen. Da greife ich doch sofort nach dem zwölf Jahre alten Macallan, der bei solchen Anlässen bereitgestellt wird. Und dann schlag ich richtig zu. Nicht nur weil Säufer das eben so machen. Sondern weil ich weiß, dass es in meiner Branche nicht gut rüberkommt, wenn man solche Dinge wie Beerdigungen und Todesfälle zu sehr an sich ranlässt.“
Dass Gus tatsächlich ein Säufer ist, wird schnell klar. Er ist zudem ein gefeuerter Journalist, fristlos entlassen, weil er einen Minister tätlich angegriffen hat, der er für ein Arschloch hält, was zunehmend deutlich wird. Doch das nutzt Gus zunächst aber gar nichts bei seinem Fall. Er übernimmt auf Bitten eines Freundes, den Versuch herauszufinden, ob und warum dessen Sohn ermordet worden ist und warum die Polizei von Selbstmord ausgeht, obwohl der junge Mann gefoltert worden ist. Der Fall selbst ist nicht spektakulär neu, es geht um Prostitution Minderjähriger, die als „Frischfleisch“ selbst in höhere Kreise vermittelt werden. Dass ein abgewrackter Journalist oder sonstwie Ehemaliger solche Nachforschung unternimmt, auch nicht wirklich.
Gus als Typ ist zunächst faszinierend, seine Sprache direkt, Scheiße bezeichnet er als Scheiße und Arschlöcher als Arschlöcher. Zu einem kaputten Typ gehören „natürlich“ auch eine verkorkste Kindheit und last but not least eine kaputte Ehe. Die steht vor dem Aus, weil seine Frau die Scheidung eingereicht hat.
Edinburgh mit seinen diversen Szenen ist sicher auch gut getroffen, interessiert mich aber nur dann, wenn es nicht zu einer Art Selbstzweck ausartet. M.E. wir der Fortgang der Ermittlungen dadurch unnötig in die Länge gezo-gen. Hinzu kommen Gus Trinkrituale,  seine Essge-wohnheiten, die diversen Whiskysorten, die verschiedenen Zigarettenmarken (zwischendurch der leise Verdacht : gesponsert by?) werden immer wieder erwähnt, die Klamottenmarken und permanente Vergleiche der beschriebenen Situationen und Personen mit Filmen, Songs, Literatur, deren Kenntnisse sich mir entziehen. Also eher ein Krimi für Anglophile.

Tony Black, Geopfert, Aus dem Englischen von Jürgen Bürger, Wien 2011, 379 S., ISBN 978-3-552-05547-6

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert