Velma Wallis, Zwei alte Frauen

Velma Wallis, Zwei alte Frauen

Einer indianischen Legende nach droht einem Nomaden-stamm eine Hungersnot. Um seinen Stamm zu retten, beschließt der Häuptling, zwei alte Frauen zurückzulassen, die nur „unnütze Esser“ sind. „Ständig beklagten sie sich über Wehwehchen hier und Zipperlein da. Und zum Beweis ihrer Kümmerlichkeit gingen sie an Stöcken … obwohl sie alle von Kindheit an gelernt hatten, daß Schwäche bei den Bewohnern dieses rauhen Mutterlandes nicht geduldet war.“
Der Stamm zieht weiter, die Frauen ihrem sicheren Tod überlassend. Nachdem beide sich ihrem Schock, ihren wirren Gedanken, Gefühlen, ihrem Entsetzten überlassen haben, macht die entsetzliche Kälte ihnen schnell klar, dass sie handeln, sich versorgen müssen, wenn sie nur den Hauch einer Chance haben wollen.
„Laß uns handelnd sterben.“
Dieser Satz wird zu ihrem Lebensmotto. Sie erinnern sich an längst vergessen geglaubten Fähigkeiten, die sie lange nicht mehr benutzt haben, da sie sich den Jüngeren des Stammes überlassen hatten. Mit eiserner Disziplin, (Über-) Lebenswillen, gegenseitiger Unterstützung, Mut und Zähigkeiten schaffen es die beiden Frauen den Winter zu überleben und sich den Sommer über Vorräte für den nächsten Winter anzulegen. Und da erst werden sie sich ihrer Einsamkeit bewusst.
In einfacher, eindringlicher Sprache erzählt Wallis diese bewegende Legende, die den gesellschaftlichen Umgang mit dem Prozess des Alterns und den Alten thematisiert, ohne moralischen oder pädagogischen Zeigefinger. Eine lesenswerte Lektüre!

Velma Wallis, Zwei alte Frauen. Eine Legende von Tapfer-keit und Verrat, a.d. Amerik. von Christel Dormagen, illustriert v. Heike Both, TB-Sonderausgabe München 2011, 113 s. plus Nachwort, ISBN 978-3-492-27278-0

12 Gedanken zu „Velma Wallis, Zwei alte Frauen

  1. Das Gesetz der Gruppe? Ich will es immer noch nicht wahr haben. Bist du unproduktiv für die Gruppe, wirst du sitzen gelassen und die Herde zieht weiter. Wohl dem, der sich dann an längst vergessene Fähigkeiten erinnern kann.

  2. Manchmal denke ich, mona lisa, dass uns der Wohlstand nicht in allem so gut getan hat. Zu Weicheiern, wozu auch ich mich zähle, hat er uns degeneriert. Jammern auf hohem Niveau. Allerortens. Das Spektrum zwischen Geben und Nehmen. Nur noch ein schmaler Korridor. Ich versuche immer wieder, in meiner Person, die längst „verkümmerten“ Fähigkeiten wiederzufinden. Kein leichtes Unterfangen. Aber ein tiefer Wunsch.

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