Barbara Frischmuth, Die Klosterschule

Barbara Frischmuth, Die Klosterschule

„Die Klosterschule“ ist Barbara Frischmuths erster Roman, veröffentlicht bereits 1978, aber immer wieder neu aufgelegt. In 14 thematisch sehr unterschiedlichen Kapiteln wird aus der Perspektive einer Klosterschülerin, die aber nur selten als Ich-Erzählerin in Erscheinung tritt, die hermetisch abgeriegelte Welt eines katholischen Mädchen-pensionats sichtbar, in der das Ich im Wir auf-, manchmal auch untergeht, in dem Regeln vorherrschen, die oft nicht nachvollziehbar sind – weder damals noch heute – deren Missachtung harte Strafen nach sich ziehen oder gar die „ewige Verdammnis“:

„Jedermann sei der Obrigkeit untertan! Denn es gibt keine Gewalt, die nicht von Gott stammt. Wo immer sie besteht, ist sie von Gott angeordnet. Wer sich also gegen die Obrigkeit auflehnt, lehnt sich gegen die Anordnungen Gottes auf!“

Als Helfer, damit die Mädchen auf dem rechten, dem katholischen Weg bleiben, stellt Gott unsichtbare und sichtbare Helfer in Gestalt von Schutzengeln, Eltern, Erziehungs-berechtigten an die Seite der Mädchen, denn keine vermag „etwas aus sich selbst“.

Die Mädchen werden auf ein Leben als Frau vorbereitet, in dem „ora et labora“ vorherrscht, die Unterwerfung unter den Mann, dem man zu gehorchen und Kinder zu gebären hat, dessen potentielle Seitensprünge frau zu verhindern  und wenn nicht zu dulden hat, da der Mensch nicht lösen darf, was vor Gott geschlossen worden ist.

Auch „Aufklärung“ wird geleistet, wichtig ist vor allem zu wissen, wann die Mädchen bzw. Frauen unrein sind! Anstandsstunden werden absolviert, die den „richtigen“ Umgang mit dem männlichen Geschlecht vermitteln und das Äußerste verhindern sollen, das namentlich nie genannt wird.  Schamhaft, unrein, anständig bzw. unanständig, enthaltsam, zurückhaltend, sind Wörter, die sich durch die Seiten ziehen. Es gibt sogar praktische Lebenshilfe für die jungen Mädchen. Sollten sie es geschafft haben, sich bis zur Ehe aufbewahrt zu haben, so könne es einigen passieren, dass es ihnen auch nach der Eheschließung schwer falle, die Zurück-haltung aufzugeben, dann sollen sie sich an die Mutter (!) wenden oder den Arzt fragen.

„In aussichtslos scheinenden Fällen wendet ich euch aber am besten gleich an die Priester und versucht selbst durch gesteigertes Beiwohnen der hl. Messe, durch verstärktes stilles Gebet und durch wiederholtes Aufsuchen von Wallfahrtsorten, dem Übel abzuhelfen.“

Gemeinschaft steht über allem, Individualtiät ist nichts, bedeutet vielmehr Gefahr, in der man umkommen kann:

„Wir sollen uns nicht absondern, nicht einzeln und schon gar nicht zu zweit. Wer sich absondert, entbehrt des Schutzes der Gemeinschaft. Er gibt sich schlechten Gedanken hin oder führt etwas im Schilde. Wer sich absondert, stellt sich den Einflüsterungen des Bösen.“

Gemeinschaft im Pensionat bedeutet aber nicht immer nur Schutz, sondern auch Kontrolle bis in den Schlaf hinein, Verbote, Regeln, Strafen und nur vereinzelt Verständnis, Mitgefühl, Vertrauen.Wohin das führen kann, haben Generationen leidvoll erfahren, wie viele neuere Publikationen und die Aufdeckungen von Misshandlungen und Gewalt in der Erziehung der 50iger Jahre und darüber hinaus deutlich machen.

Barbara Frischmuth hat mit ihrem Erstlingsroman bereits in den 70igern darauf hingewiesen, indem sie die damaligen Sprachmuster oft scheinbar nur aneinandergereiht hat, die damit das ganze Ausmaß von Macht, Unterdrückung und Gewalt (religiöser) Erziehung verdeutlicht, wie sie nicht nur in Mädchen-pensionaten der damaligen Zeit gang und gebe war.

Barbara Frischmuth, Die Klosterschule, Roman, 19. Aufl. 2010, Reinbek b. HH, 89 S., ISBN 978-3-499-22452-2

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