Jan-Philipp Sendker, Das Herzenhören

Jan-Philipp Sendker, Das Herzenhören

Tin Win, ein bekannter New Yorker Rechtsanwalt burmesischer Abstammung, verlässt – ohne Vorankündigung – einen Tag nach dem juristischen Examen seiner Tochter Julia seine Familie. Die Polizei findet nicht heraus, was mit ihm passiert ist. Seine Spur verliert sich in Bangkok.

Vier Jahre später bekommt Julia von ihrer Mutter alte Liebesbriefe ihres Vaters, die sie weder lesen noch aufbewahren will. Einer inneren Eingebung folgend, fliegt Julia nach Burma. Sie will herausfinden, wer die Frau ist, der ihr Vater Liebesbriefe geschrieben hat. Zugleich hofft, sie etwas über den Verbleib ihres Vaters zu erfahren.
In Kalaw wird sie in einer Teestube von einem älteren Mann angesprochen, der offensichtlich auf sie gewartet hat und einiges über sie, ihre Familie und ihren Vater weiß. Er will ihr eine Geschichte erzählen:
„Ich spreche von der Liebe, die Blinde zu Sehenden macht. Von der Liebe, die stärker ist als die Angst. Ich spreche von der Liebe, die dem Leben einen Sinn einhaucht, die nicht den Gesetzen des Verfalls gehorcht, die uns wachsen lässt und keine Grenzen kennt. Ich spreche vom Triumph des Menschen über die Eigensucht und den Tod.“

Es ist die Lebens- und Liebesgeschichte ihres Vaters, für den die Liebe die einzige Kraft ist, an die er geglaubt und nach der er gelebt hat. Julia lernt ihren Vater kennen, über dessen Vergangenheit sie bis dahin gar nichts weiß. So weiß sie nichts von seiner früheren Blindheit und seiner Fähigkeit, die Welt bis in den Mikrokosmos hinein hören zu können. Sogar der Herzschlag seiner Mitmenschen blieb ihm nicht verborgen. Daher auch der Titel „Das Herzhören“.

Es ist eine berührende, leise erzählte, manchmal ein wenig märchenhaft anmutende Liebesgeschichte, die man landläufig zugleich als tragisch bewerten würde, bekäme man nicht im Laufe des Romans den Eindruck, dass wirkliche Liebe diese Wertungen nicht kennt. Was zählt ist ihre Bedingungslosigkeit.
„Seit er das begriffen und akzeptiert hatte, wusste er, wie reich er beschenkt worden war. Er lebte nicht mehr in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Er genoss jeden Tag …“

Jan-Philipp Sendker, Das Herzenhören, Roman, 5. Aufl. München 2013, 303 S., ISBN 978-3-453-41001-5

4 Gedanken zu „Jan-Philipp Sendker, Das Herzenhören

  1. Ich schliesse mich dem an: ich fand es sehr berührend. Voller Tiefe und Sensibilität. Und das Ende mochte ich sehr…was nicht bei jedem Buch der Fall ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert