Philip Sington, Das Einstein-Mädchen

Philip Sington, Das Einstein-Mädchen

„Zwei Wochen nach dem Verschwinden ihres Verlobten machte sich Alma Siegel auf den Weg zum anderen Ende der wimmelnden Großstadt, in die östlichen Bezirke, um Fotografien namenloser Toter zu studieren.“

Was wie ein Krimi beginnt, ist ein Roman, der nicht wirklich einzuordnen ist. Er ist Krimi, weist gleichzeitig historische und biografische Züge auf, thematisiert die Themen Liebe, Moral, gesellschaftliche Normen, ist auch eine Liebesgeschichte, bietet eine komplexe formale Erzählstruktur, ist gut lesbar und spannend. Also: Unterhaltung auf hohem Niveau.

Und worum geht es?
Auch das ist nicht so einfach zu beantworten:

1932 wird in Berlin eine junge Frau verletzt und bewusstlos in einem Wald aufgefunden. Aus dem Koma aufgewacht, kann sie sich an rein gar nichts erinnern. Sie weiß nicht einmal, wie sie heißt. Ein Programmzettel von einem Vortrag Albert Einsteins, den man bei ihr gefunden hat, führt dazu, dass man sie das Einstein-Mädchen nennt. Aber: In welcher Beziehung steht sie zur Person Einsteins oder ist sie an seinen wissenschaftlichen Entdeckungen interessiert?

Martin Kirsch, ein junger Psychiater, erkennt in ihr die Frau, die er vor einigen Tagen gesehen hat und von der er sofort derart fasziniert war, dass er ihr nachgegangen ist. Er bemüht sich gegen interne Widerstände, für die Behandlung der jungen Frau zuständig zu sein, um herauszufinden, wer sie ist und riskiert dafür persönlich und beruflich eine Menge. Seine Nachforschungen führen ihn nach Zürich und Serbien und lassen den Fall zunehmend schwieriger und komplexer erscheinen.

Immer wieder hat man den Eindruck zu wissen, worum es geht, um dann wieder mehr Fragen als vorher zu haben. Ist sie nun Einsteins Tochter, von der keiner wissen darf? Von wem hatte sie selbst ein Kind, obwohl unverheiratet? Wieso setzt sich Kirsch so für sie ein, obgleich er doch mit Alma Siegel verlobt ist, für die er immer weniger Zeit und Interesse aufbringt?

Ein Roman, der vielschichtig und differenziert erzählt, ungewohnt viele Fragen aufwirft, auf die es meist keine eindeutige Antworten gibt. Ungewöhnlich und spannend.

Philip Sington, Das Einstein-Mädchen, deutsch von Sophie Zeitz, 2. Aufl. München 2012, 458 S., ISBN 987-3-423-21399-8

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