Max Frisch, Aus dem Berliner Journal

Max Frisch, Aus dem Berliner Journal

Nun sind Teile seiner Tagebücher aus dem Nachlass veröffentlicht.

Das Berliner Journal beginnt 1973 mit Max Frischs Umzug in die Sarrazinstraße in Westberlin. Beim Lesen begleitet man ihn bei Alltäglichkeiten: dem Einrichten seiner Wohnung, Fragen zu seiner Gesundheit, Problemen und Zweifeln seiner Schaffenskraft.

Interessanter aber finde ich noch die diversen Kontakte mit deutschen Schriftstellern aus Ost und West, auf die er eine unbefangene und sehr diffizile Sicht hat, weil er als Schweizer nicht wirklich dazugehört. Meist ist er Beobachter, fragend, zuhörend:

„Ich selber habe in sieben Stunden nicht viele Sätze gesagt, einiges gefragt, nichts erzählt: wie man an einem Krankenbett sitzt oder in einer Werkstatt steht: Zuhörer. Ihr Überleben hier, ihr Verhalten zur Lage hier; sie haben die akutere Problematik, ohne Arroganz gegenüber dem Gast aus dem Westen.“

Die Art ihrer Beziehungen und Gespräche beschreibt er genau, vor allem die diversen Auslassungen, das Bemühen, sich nicht festzulegen, was dann ja wiederum als Standpunkt auszumachen ist. Dabei ergeben sich interessante Dichterportäits u. a. von Johnson, Grass, Jurek Becker, aber auch von Christa Wolf.

Die Absurdität der damals noch geteilten Stadt Berlin skizziert Frisch auf gerade mal fünf Seiten am Beispiel der Stadt Zürich, die er kurzerhand in West- und Ost-Zürich aufteilt. Wobei er die Reichen alle in Ost-Zürich leben lässt!

Schade nur, dass nicht mehr freigegeben ist, ich hätte gern noch mehr von Frischs Aufzeichnungen gelesen. Ein Teil des Berliner Journals besteht nämlich aus Nachwort, Herausgeberbericht und Anmerkungen.

Max Frisch, Aus dem Berliner Journal, hrsg. v. Thomas Strässle, unter Mitarbeit von Margit Unser, 1. Aufl. Berlin 2014, 232 S. (170 S. Tagebuchaufzeichnungen, plus Anhang), ISBN 978-3-518-42352-3

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