Dieter Gurkasch, Leben Reloaded

Dieter Gurkasch, Leben Reloaded

Sterben ist anders. Kein Licht, keine weite Wiese, keine Wesen, die einem entgegenkommen, mit offenen Armen, und schon gar kein Himmel und kein Gott. Zumindest habe ich das nicht erlebt. Und ich war bereits zweimal tot.“

So beginnt Gurkasch seine Autobiografie. Bei seiner Verhaftung 1997 wird er angeschossen, reanimiert, stirbt auf dem OP-Tisch ein zweites Mal und wird erneut zurückgeholt. Für ihn ist dieses Ereignis der Wendepunkt in seinem bisherigen Leben als Schwerverbrecher. Er ist sich sicher: „dass mein Leben durch das Sterben noch einmal reloaded wurde …“

Im ersten Teil erzählt Gurkasch, wie er sich vom feinfühligen Jungen, der sich trimmt, hart und wild zu werden, weil er die Erfahrung gemacht hat, er wird nur geliebt und anerkannt, wenn er hart und wild ist, zum Schwerverbrecher entwickelt, der als Mörder verurteilt wird mit anschließender Sicherungsverwahrung, was letztendlich lebenslänglich bedeutet.

Gurkasch befindet sich in diesem Lebensabschnitt im permanenten Kriegszustand mit sich selbst und anderen, da er seine Gefühle, Bedürfnisse und Sehnsüchte konsequent verdrängt und auch das dadurch verursachte Leiden nicht wahrhaben will, bei sich nicht und bei anderen auch nicht. Aus dem feinfühligen Jungen ist ein brutaler innerlich „schockgefrorener“ Mann geworden, ohne jedes Mitgefühl.

Im zweiten Teil erzählt er von seiner Transformation, die mit dem anfänglichen Spott über die „Mädchengymnastik“ beginnt, über das Lesen von Yogabüchern weitergeht und begleitet wird von der für ihn erstaunlichen Erfahrung, dass sein Hass, die bisherige Kraftquelle seines Lebens, zunehmend kleiner wird und letztendlich völlig verschwindet. Gurkasch erfährt, „dass ich in meinem Umfeld auch positiv wirken konnte, etwa mit der Arbeit in der Bücherei, und dafür ebenfalls positive Aufmerksamkeit bekam.“ Er beginnt nach und nach sein Leben radikal umzukrempeln, von außen nach innen, und hält die damit verbundenen „Geburtswehen“ aus.

„Ich hatte begriffen, dass der Mensch wahre Glückseligkeit nur in seinem Inneren finden kann, und zu diesem Inneren hat er auch in der räumlichen Beschränkung der Gefangenschaft unbegrenzten Zugang.“, eine Erfahrung die auch Konstantin Wecker gemacht und in seinem Buch „Mönch und Krieger“ beschrieben hat.

Nachdem Gurkasch die Wirkmächtigkeit des Yoga an sich selbst erlebt hat und sich in sich selbst gefestigt spürt, fühlt er sich verpflichtet, diese Erfahrungen an die anderen Insassen weiterzugeben. Und er beginnt zu kämpfen, dass Yogakurse im Gefängnis angeboten werden, dieses Mal aber ganz im Sinne eines friedlichen (Yogi-) Kriegers, getragen auch von der intensiven Liebe seiner Frau, die er im Knast geheiratet hat.

Er kämpft für die anderen, aber auch für seine Entlassung nach der Verbüßung seiner Strafe, denn trotz seiner für alle sichtbaren Wandlung, sind diejenigen, die über die Aufhebung der Sicherheitsverwahrung zu entscheiden haben, von seiner Veränderung nicht überzeugt. Sie halten es für einen ausgebufften Trick.

Heute lebt Gurkasch in Freiheit, arbeitet als Yogalehrer, hat sein Leben aufgeschrieben und den gemeinnützigen Verein „Yumi“, Yoga u. Meditation im Knast, gegründet.

Eine gelungene Resozialisation aus eigener Kraft! Der feinfühlige Junge ist zu einem mitfühlenden, emphatischen Mann geworden, dem ich gerne einmal begegnen würde.

Dieter Gurkasch, Leben Reloaded, Wie ich durch Yoga im Knast die Freiheit entdeckte, Kalisch Verlag Stuttgart 2013, 252 S., ISBN978-3-424-63084-8

Übrigens: Heute geht es in der Sendung „Lebenszeichen: Zurück ins Leben“ um Dieter Gurkasch.

2 Gedanken zu „Dieter Gurkasch, Leben Reloaded

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