Andreas Pflüger, Endgültig

Andreas Pflüger, Endgültig

Einen so spannenden, dichten und gut geschriebenen Krimi habe ich schon lange nicht mehr gelesen. „Endgültig“ ist der gerade erst erschienene Thriller von Andreas Pflüger mit Jenny Aaron als blinder Ermittlerin, die mit einem Gedächtnis ausgestattet ist, vergleichbar einer „Hochleistungssoftware“.

2016-04-21 Pflüger, Endgültig, Cover
Sie ist bei einem Einsatz als verdeckte Ermittlerin angeschossen worden und seitdem blind. Mit eiserner Disziplin, einem unbeugsamen Willen, ständiger Übung und der Hilfe ihres Vaters lernt sie, sich als Blinde in der Welt der Sehenden zurechtzufinden.

„Er büffelte mit ihr Braille und war ihr Versuchsobjekt, dem sie erwartungsvoll ihr erstes selbstgebratenes Steak servierte. Da wusste sie noch nicht, wie man Salz und Pfeffer unterscheidet, dass Salz beim Schütteln Geräusche macht und Pfeffer nicht. … Vor allem aber lehrte er sie, was das Schwerste war: Hilfe anzunehmen, zu akzeptieren, dass sie ihr Leben lang auf andere angewiesen sein würde und sie das nicht als Last empfinden dürfe, sondern als Notwendigkeit.“

Sie arbeitet sogar wieder als Ermittlerin, als einzige Frau unter vierzig Männern beim BKA in Wiesbaden und gilt als Verhörspezialistin, weil sie oft mehr mitbekommt als ihre sehenden Kollegen.

Reinhold Boenisch sitzt wegen verfachen Mordes lebenslänglich im Gefängnis. Aron war damals an den Ermittlungen beteiligt. In seiner Zelle hat er nun die Gefängnispsychologin ermordet, verweigert jede Aussage und hat nur diesen einen Satz gesagt: „Ich rede nur mit Frau Aaron.“

Und Jenny Aaron fliegt nach Berlin.

Der Roman erzählt von den Ereignissen, die danach passieren, in Rückblenden aber auch über Jennys bisherige Arbeit als Mitglied einer international operierenden Eliteeinheit der Polizei. Wie Aaron hat der Leser recht schnell eine Ahnung, dass es nicht wirklich um den „Fall Boenisch“ geht. Wie verwickelt die Angelegenheit ist, bekommt man als Leser im Tempo der Ermittlungen mit. Hochspannend, weil geschickt konstruiert, nicht nur linear erzählt, sondern mit eingeflochtenen Hinweisen auf private Beziehungen, die als retardierendes Element hinsichtlich der Ermittlungen fungieren, dabei aber keineswegs langweilig, denn auf einmal haben sie in dem „Fall“ dann doch Bedeutung.

Spannend ist auch mitzubekommen, wie Aaron – so wird sie von allen nur genannt, denn die Männer reden sich nur mit ihren Nachnahmen an – sich in der Welt der Sehenden zurechtfindet, auf viele einen „dummen Eindruck“ macht, weil sie nicht mitbekommen, dass ihr oft eigenartiges Verhalten ihre Möglichkeit ist, sich in Räumen, an ihr unbekannten Orten zu orientieren. Und: Wie exzellent sie ihre Arbeit macht – man kommt aus dem Staunen nicht heraus.

Der Krimi ist absolut zu empfehlen, erfordert aufgrund der Dichte jedoch eine gewisse Konzentrations- und Merkfähigkeit, denn man hat es mit außerordentlich vielen Namen und Fakten zu tun. Wie viel Recherche dieser Roman erfordert hat, ahnt man schon beim Lesen, im Nachwort geht Andreas Pflüger auf seine Quellen und Berater ausführlich ein.

Andreas Pflüger, Endgültig, Suhrkamp Verlag Berlin 2016, 459 S., ISBN 978-3-518-42521-3

4 Gedanken zu „Andreas Pflüger, Endgültig

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