Abbas Maroufi, Fereydun hatte drei Söhne

Abbas Maroufi, Fereydun hatte drei Söhne

„Das Leben hatte für mich keine Bedeutung mehr. Weder konnte ich mich an etwas erfreuen noch bekümmerte mich etwas. Die einzige Frage, die ständig in meinem Gehirn aufleuchtete und wieder verlosch, war jene nach meinem Schicksal. Würde Mama sich noch einmal vor Assad aufrichten, um mich hinter ihren ausgebreiteten Armen zu verbergen? Besaß sie noch die Kraft und Größe jener Tage, als sie dich exekutierten? Weshalb kommen wir, so weit wir auch fahren, nicht an?“

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Der Ich-Erzähler, der seinem Schicksal nachspürt, ist – wie der Autor dieses Romans – Iraner, lebt seit Jahren in einer Nervenheilanstalt in Aachen und träumt davon, wieder in seine Heimat zurückkehren zu können, aufgefangen von den Armen seiner Mutter.

Sie ist die Konstante in dieser politisch so zerrissenen Familie, in der nahezu jedes Mitglied einer anderen politischen Richtung folgt. Sie handelt aus der Liebe zu ihren Kindern heraus, unabhängig von den politischen Veränderungen im Iran, die gut an der Person des Ehemannes festzumachen sind, und klagt dadurch indirekt die Unmenschlichkeit des herrschenden Regimes an, das Assad, einen ihrer Söhne während einer Theatervorstellung verhaften und anschließend hat hinrichten lassen. Innerhalb des Hauses wagt sie ihrem Sohn Assad, als Vertreter dieser Politik gilt, der Politik Chomenis blind folgt und sie vorbehaltlos gutheißt, entsprechende Fragen zu stellen, und riskiert damit, von ihm denunziert zu werden:

“ ‚Was auch immer dein Imam sein mag, seine Hände sind mit dem Blut meines Iradschs besudelt. Sie schleuderte ihm einen Stapel Zeitungen entgegen. ‚Schau es dir selbst an. Sieh, wie viele Menschen sie Nacht für Nacht hinrichten. Sieh, wie viele Mütter von Nacht zu Nacht wie ich Trauer tragen müssen.‘ … aufgrund welchen Vergehens und welcher Schuld habt ihr die Unschuldigen getötet?‘ “

In verstörenden, alptraumhaften Episoden erzählt der Ich-Erzähler in Rückblenden sein Leben im Iran bis zu seiner Flucht, wobei für den Leser nicht immer klar zu erkennen ist, wann es sich rein um Rückblenden handelt, da diese immer wieder mit Erlebnissen aus dem Alltag in der Aachener Nervenheilanstalt und seiner bis zu Selbstmordgedanken gehenden Sehnsucht nach seiner Heimat und den damit verbundenen Träumen von seiner Rückkehr in den Iran durchzogen sind.

Die Frage, wie alles begonnen hat, und die Suche nach einer Antwort durchzieht stilistisch den gesamten Roman, fangen doch nahezu alle Kapitel mit Variationen dieser Frage an.

Ein verstörender, verwirrender Roman, der Einblicke in die Situation und Schwierigkeiten von Flüchtlingen möglich macht, sich hier zurechtzufinden, der sich nicht scheut, manche Maßnahmen deutscher Behörden zu kritisieren:

„Verflucht sei diese Arbeitslosigkeit. Sie höhlt einen aus, raubt einem das Ehrgefühl, löst einen auf und schleudert einen gegen einen gläsernen Behälter, da merkst du nicht, dass du keine gesellschaftliche Identität besitzt. Diese Deutschen wissen gut, wie sie vorgehen müssen, sie geben dir alles außer gesellschaftlicher Identität.“

Und das ist für einen ehemaligen Oppositionsführer, der von sich behauptet, „Ich war einmal wer …!“ sicher besonders gravierend und schwer auszuhalten.

Es ist ein Roman, der explizit Authentizität für sich reklamiert. Während man bei anderen Autoren Hinweisen darauf findet, dass Orte, Personen und Ereignisse frei erfunden sind, liest man hier:

„Sämtliche Ereignisse und Personen dieses Romans sind wahr und ihre Ähnlichkeit mit bekannten Ereignissen und Personen ist keineswegs zufällig. A.M.“

Abbas Maroufi, Fereydun hatte drei Söhne, a.d.Pers. v. Susanne Baghestani, Edition Büchergilde, Frankfurt/ M. 2016, 298 S., ISBN 978-3-86406-071-7, ab 1. Oktober im Buchhandel erhältlich.

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