Annemarie Selinko, Heute heiratet mein Mann

Annemarie Selinko, Heute heiratet mein Mann

Die in diesem Jahr erschienene Ausgabe „Heute heiratet mein Mann“ ist eine Neuauflage des 1940 in Amsterdam veröffentlichten Romans, der 1956 verfilmt worden ist, in den Rollen Johannes Heesters, Lieselotte Pulver, Ingrind van Bergen, Gustav Knuth u.a.

Der Film reduziert den Roman auf eine reine Liebesgeschichte zwischen der Wienerin Thesi und dem dänischen Architekten Sven Poulsen. „Schon für die dänische Verfilmung 1943 mussten, damals aus politischen Gründen, die Spuren der Zeithistorie wie Exil, Nationalsozialismus und Kriegsausbruch weitgehend getilgt werden“, so Evelyne Polt-Heinzl in ihrem Nachwort „Der verborgene Exilroman einer vergessenen Autorin“, das interessante Informationen über den Roman und seine Autorin preisgibt, u.a. auch, dass Selinkos Romane „in der Regel als Unterhaltungsliteratur für Frauen kategorisiert“ werden.

Wie dem auch sei: Sicher liegt es im Auge der Leser, ob und in welche literarische „Schublade“ sie diesen Roman stecken, ob und wie sie die politischen Anspielungen, die zum Teil ironischen Kommentare des Erzählers zum Geschehen einordnen, interpretieren und bewerten.

Thesi ist in Dänemark lebende Österreicherin, Wienerin, um genau zu sein, die als Waise bei ihrer Großmutter aufgewachsen ist und als Neunzehnjährige den dänischen Architekten Sven Poulsen kennengelernt und ziemlich bald geheiratet hat. „Ich war ganz unmodern. Ich habe gedacht, ich sterbe, wenn mich Herr Poulsen nicht heiratet.“

Zu Beginn des Romans ist sie allerdings schon geschieden und muss für ihren Unterhalt selbst sorgen. An ihre Oma schreibt sie:

„Du hast mir erzählt, wie glücklich die meisten Frauen früher waren, die sich bis zur goldenen Hochzeit mit ihrem Mann (und immer mit demselben) gestritten haben. Du warst auch gegen meine Scheidung. Wenn ich nachdenke, so sage ich mir, daß ich mit einem neuen Mann genau dieselben Enttäuschungen erleben würde wie mit Sven. Die ersten Jahre einer Ehe verbringt man doch damit, einander kennenzulernen. Man entdeckt alle Fehler der Gegenpartei und wird wütend und läßt sich scheiden. Mit der Zeit verzeiht man ja einander und gewöhnt sich an die gegenseitigen Fehler. Aber weißt Du, Oma, dann sind die modernen Leute meist schon geschieden.“

Thesi arbeitet als Modezeichnerin und ist darauf angewiesen, dass Direktor Andersen ihr ihre Entwürfe abkauft, damit sie ihre Miete und den Zahnarzt bezahlen kann. Sie lässt sich von ihm ins teuerste Lokal der Stadt zum Essen einladen, weiß ihn als Frau um den Finger zu wickelt, um an ihr Ziel zu kommen, ohne dass Direktor Andersen seine Ziele als Mann bei ihr erreichen kann.

Bei diesem Arbeitsessen trifft sie auf ihren geschiedenen Mann und seine Verlobte, die in wenigen Wochen heiraten wollen. Das wusste sie bereits von ihrem Zahnarzt, der auch der Zahnarzt ihres Ex-Mannes ist. Sie merkt, dass sie das nicht völlig kalt lässt und überlegt, wie sie die Hochzeit verhindern kann. Dabei bleiben ihre Motive, ihre Ziele unklar. Will sie nur die Hochzeit verhindern oder ihn zurückhaben? Denn „Im Krieg muß man wissen, wohin man gehört, denkt sie und erschrickt.“

Und Thesi weiß, was Krieg bedeutet. Sie hat den ersten Weltkrieg in Wien erlebt, ihr Vater ist gefallen, also nicht mehr zurückgekehrt. Sie erinnert sich zudem: „Millionen Frauen lächeln mit orangeroten Clownmündern verzweifelt und tapfer, wenn man sie nach ihren Männern fragt.“ Und sie erkennt die Zeichen eines bevorstehenden Krieges überall.

Doch die Kinderkrankheit Scharlach macht sie für einige Wochen handlungsunfähig. Sie liegt auf der Isolierstation eines Krankenhauses und erfährt dort vom Ausbruch des zweiten Weltkrieges, von dem auch zwei ihrer Bekannten betroffen sind: John, ein Amerikaner, der sie mit nach Amerika nehmen wollte, solange dies noch möglich sei, ist wieder als Kriegsreporter unterwegs und Gary, ein Engländer, kämpft gegen die Nazis. „So viele Menschen sind schon in ihrem Leben spazierengegangen und dann verschwunden. In welchem Kriegspressequartier sitzt John?“

Thesi denkt viel nach. Über ihr Leben, ihre Einsamkeit und merkt: Sie hat sich erneut in Sven verliebt, der sie während ihrer Zeit im Krankenhaus regelmäßig besucht hat. Nach dem Ende ihrer Krankheit erfährt sie, dass Sven ihre Möbel in sein Haus hat bringen lassen, mit dem Hinweis, sie möge dort auf ihn warten. Von seinem Personal wird die als Frau Poulsen angesprochen und in ihren Schlafraum gebracht. Sie lebt fortan mit ihm dort, ohne wieder geheiratet zu haben.„Sie spürt, daß sie Sven erst wieder heiraten wird, bis sie genau weiß, daß es der einzig mögliche Weg ihres Lebens ist. Und das will sie nicht nur dumpf verwirrt fühlen. Sondern wissen – mit ihrem ganzen Körper und ihrer ganzen Seele.“

Ein Jahr nach ihrem Einzug in die Villa, während einer Hausdurchsuchung durch die deutschen Besatzer, reagiert sie geistesgegenwärtig und rettet damit womöglich Svens Leben, der nämlich seinem befreundeten Zahnarzt zur Flucht nach Schweden verholfen hat.

Mit einem Brief an ihre Oma endet der Roman:
„PS: Ich bin wahnsinnig glücklich, man sollte jede Ehe zweimal beginnen und beide male mit demselben Mann!“

Ja, der Roman ist unterhaltsam, leicht zu lesen. Und ja, er zeigt in weiten Teilen konventionelle Frauen- und Männerbilder, die dann aber doch nicht so ganz dem Klischee entsprechen. Thesi zumindest zeigt Ansätze einer Veränderung in Richtung Selbstständigkeit, auch wenn die Mittel, die sie einsetzt, um Sven von seiner Heirat mit Karen abzuhalten, ziemlich klischeehaft und klischeehaft erfolgreich sind. Möge jeder Leser sich sein eigenes Urteil bilden.

Annemarie Selinko, Heute heiratet mein Mann, Roman, mit einem Nachwort v. Evelyne Polt-Heinzl, Milena Verlag Wien 2018, 221 S., ISBN 978-3-903184-15-2

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