Regina Düring, Federn lassen

Regina Düring, Federn lassen

„Federn lassen“ ist eine Novelle, deren Titel mich an Hilde Domins Kurzgedicht
„Federn lassen und dennoch schweben, das ist das Geheimnis des Lebens.“
erinnert. Kein Leichtgewicht trotz des geringen Seitenumfangs.

Ungewöhnlich ist nicht nur das längliche Format, sondern auch die Sprache, die in interpunktionslosen Zeilenbrüchen – ähnlich einem Gedicht – ohne Umschweife in einfacher, dennoch eindringlicher Sprache versucht, von bestürzenden, traumatisierenden Ereignissen zu erzählen, die das namenlose Du – eindeutig weiblich – in vielen Situationen fassungslos und sprachlos macht.

Wir begleiten das sensible, schüchterne, eher stille Du ab dem vierten Lebensjahr hin bis zum siebenunddreißigsten. Schon als Kind soll es anders sein als es ist:

„Du bist fünf
und wirst
in die Pantomimegruppe
geschickt damit du
endlich mal aus dir
rauskommst“


Das Du soll wie der Bruder sein, der im Fokus der elterlichen Aufmerksamkeit und Zuneigung steht, dem sie alles durchgehen lassen. Es versucht, mit kindlichen Tricks, die Aufmerksamkeit der Mutter zu bekommen – vergeblich.

Auch mit Ärzten macht es die Erfahrung, nicht in ihrer Befindlichkeit wahrgenommen, sondern als Hypochonder abgestempelt zu werden:

„was das für eine Show
sein soll will er wissen
was das ist all diese
Empfindlichkeit die
Theatralik dass du dir
alles einbildest teilt er dir
mit und den Wartenden
um dich herum …
alles nur Gehabe dein
Geltungsbedürfnis
dein Mädchensein
eine hirnverbrannte
Lächerlichkeit“

Immer wieder ist das Du nahezu hilflos Demütigungen, Abwertungen, sexuellen Übergriffen ausgesetzt, die es kaum fassen und gegen die es sich lange nicht wehren kann. Es begreift einfach nicht oder oft viel zu spät, dass Menschen, vorwiegend Männer, es so behandeln, wie sie es behandeln. Nirgends kann es sicher sein: zu Hause nicht, nicht in der Schule, später auf Parties, aber auch nicht im öffentlichen Raum.

Erst spät lernt es, Nein zu sagen

„… irgendwann sagst
du nein dieses einfache Wort
dieser Zweilaut eingeklammert
von einem Konsonanten drei
vier fünf Mal“


aber es wird nicht beachtet, wird wieder einmal missachtet, missbraucht. Mit Freunden darüber zu reden, hilft auch nicht wirklich. Es solle doch auch einmal „deren Perspektive“ verstehen, es sei egoistisch und solle ungewollte Annäherungen einfach als Kompliment nehmen.

„Feder lassen“ macht auf eindringliche Weise deutlich, dass es immer noch Sexismus, Mansplaining, patriachalische und hierarchische Strukturen gibt, die es Frauen schwer machen, ihren eigenen Weg zu finden, vor allem dann, wenn sie (hoch-)sensibel sind.

Eine gelungene, überaus lesenswerte Novelle von Regina Düring, die für ihre Arbeiten schon mehrer Preise bekommen hat, u.a. den Peter-Härtling-Preis.

Regina Düring, Federn lassen, Novelle, Droschl Literaturverlag, Graz-Wien 2021, 102 S., ISBN 978-3-99059-071-3

2 Gedanken zu „Regina Düring, Federn lassen

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