Arno Geiger, Selbstportrait mit Flusspferd

Arno Geiger, Selbstportrait mit Flusspferd

Julian arbeitet als Tierarzt in einer Notfallambulanz, als er nach zehn Jahren Judith, seine erste große Liebe, wiedertrifft und sie kaum wiedererkennt. Sie bringt ihm einen Uhu, den er einschläfern muss.
„Du, Judith, da ist nichts zu machen.“
„Ich habe es fast befürchtet“, sagte sie.

Diese Sätze beziehen sich vordergründig auf den Uhu, sind letztendlich aber auch das Fazit ihrer langjährigen Freundschaft, die vor zehn Jahren zu Ende gegangen ist. Da war Julian 22 Jahre, Student und damit beschäftigt, erwachsen zu werden und herauszufinden, wie Leben geht, was seinem Leben Sinn geben kann.
In 22 Kapiteln begleitet der Leser Julian durch die schwere Zeit nach seiner Trennung, durch seine Einsamkeit, seine Zweifel, seine Fragen, auf die er keine Antworten findet:

„Meine Meinung ist, man lernt die Welt immer besser kennen, trotzdem wird das Staunen größer, nicht kleiner. Und auch die Ungewissheit wird größer, nicht kleiner. Je mehr Ungewissheit, desto älter fühle ich mich.“

Ein Freund verschafft Julian einen Ferienjob. Er soll das Flusspferd von Professor Beham betreuen. Die Behäbigkeit, Gelassenheit des Tieres und die feste Tagesstruktur helfen Julian bei dem Versuch, im eigenen Leben Fuß zu fassen. Nicht so einfach, da er sich in die ziemlich unkonventionelle und fünf Jahre ältere Aiko, Tochter des Professors, verliebt, die nichts von festen Beziehungen hält. Ihr folgt er dennoch am Ende des Sommers nach Paris, wo er zwei Jahre lebt, wie er Judith erzählt.

Verwoben ist die persönliche Geschichte Julians mit den politischen Wirren, denen sich Julian über die Nachrichten ausgesetzt fühlt, über deren Grausamkeiten er entsetzt ist. Und er fühlt sich ohnmächtig, da er nicht weiß, was man dem entgegensetzten soll.

Immer wieder denkt man, wie schwierig es doch ist, erwachsen zu werden, bis man merkt, dass die Fragen der Pubertät eigentlich Fragen sind, die man auch als Erwachsener nicht los wird, die man höchstens zeitweise verdrängt. Bis sie sich dann in Krisenzeiten wieder Gehör verschaffen und Antworten fordern.

Arno Geiger, Selbstportrait mit Flusspferd. Roman, Carl Hanser Verlag München 2015, 288 S., ISBN 978-3-446-24761-1

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