Gerhard Köpf, Das Dorf der 13 Dörfer

Gerhard Köpf, Das Dorf der 13 Dörfer

Kann ich nachts nicht (durch-)schlafen, so höre ich des öfteren Radio und habe schon manch interessante Entdeckung gemacht. In einer Sendung des WDR bin ich auf Gerhard Köpf, einen emeritierten Literaturwissenschaftler und Schriftsteller, und seinen neuen Roman aufmerksam geworden.

In diesem Roman erzählt ein schon in die Jahre gekommener Radiojournalist, der für seine Sendung „Das Zwölfuhrläuten“ – ein Format das es, allerdings unter anderem Titel, schon in den 50iger Jahren gab – ins Dorf der 13 Dörfer reist, um über das „Türkenläuten“ der Kirche St. Nikolaus in diesem Dorf zu berichten.

Doch „kaum angekommen hatte ich das Türkenläuten so gut wie vergessen. Mit geschlossenen Augen erinnere ich mich an das Sommergeräusch meiner Kindheit, das ich vermisse: das Dengeln der Sensen, abends, reihum auf den über den Hügeln verstreut liegenden Bauernhöfen, das Schärfen der Sense mit einem Hammer, der gleichmäßig und präzise auf das Sensenblatt trifft.“

Der Leser begleitet den Erzähler in seine Kindheit und Jugend in diesem Dorf der 13 Dörfer, mit seinen sehr eigenwilligen, verschrobenen Bewohnern, allesamt Typen und Persönlichkeiten, die den Querschnitt der damaligen Bevölkerung repräsentieren, mit ihrer Lebensart, -einstellung und ihren Träumen. Da gibt es die Nonnen im Kindergarten, die die Kinder in Büchern Nazisymbole überkleben lässt, Heidrun das Besatzungskind, mit dem der Erzähler regelmäßig den Honigmann des Dorfes besucht, die Großmutter des Erzählers, aber auch über die sogenannten Honoratioren erfährt man eine Menge oft skurriler Angewohnheiten.

Und dann gibt es da noch die diversen Sehnsuchtsorte: der Bahnhof mit seinen Gleiskörpern, aber auch die Eisdiele des Dorfes mit der italienischen Bedienung, der die männliche Jugend in den Ausschnitt blicken darf. Und den Frisiersalon mit Corrie, der rassigen Frau des Friseurs, die regelmäßig öffentliche Sonnenbäder nimmt.

Gleichzeitig, aber fast nebenbei, also ohne großes Aufheben, machen diese gut und spannend erzählten Geschichten – unterlegt mit feiner Ironie und einem Reichtum an Neologismen, das es eine wahre Freude ist – auch die gesellschaftspolitische Wandlung dieses Dorfes mit seinen Ewiggestrigen und den für die neue Zeit Aufgeschlossenen deutlich wie auch das Erwachsenwerden des Erzählers in diesem Dorf.

Die „Liebe zu mancherlei Geschichten“ wird in jedem Kapitel in jeder Charakterisierung spürbar und erlebbar und lässt – zumindest in mir als Leserin – den Wunsch wachwerden, es möge jemand da sein, dem man beim Erzählen dieser Geschichten zuhören kann, eingekuschelt auf dem Sofa, nichts tun müssen, außer zuhören wollen und zwischendurch den eigenen Assoziationen folgen können, die sich mit Sicherheit bei denen einstellen wird, die in den 50 igern aufgewachsen sind.

Doch schon die Lektüre ist wohltuend. Sehr empfehlenswert für alle, die Geschichten und Menschen mögen.

Gerhard Köpf, Das Dorf der 13 Dörfer, Braumüller Verlag, Wien 2017, 239 S.einschließlich der Anregungen, Quellen und Zitate, ISBN 978-3-99200-185-9

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