Jorge Zepeda Patterson, Die Korrupten

„Die Korrupten“ ist der letzte Teil einer Trilogie des mexikanischen Schriftstellers und Journalisten Jorge Zepeda Patterson um die Gruppe der „Blauen“. Er ist allerdings auch ohne Kenntnis der beiden vorherigen Romane verständlich. Ich kenne sie nicht und es hat das Verständnis nicht gemindert.
Tomás Arizmendi schreibt – eher ohne inneres Engagement und der journalistischen Verpflichtung, erhaltene Informationen zu überprüfen – eine Kolumne über den Mord an der Schauspielerin Pamela Dosantos, der Geliebten des von allen gefürchteten Innenministers Salazar. Ein ungeprüftes Detail in seinem Bericht hat für ihn nicht absehbare Konsequenzen. Er wurde offensichtlich manipuliert. Sein Leben ist bedroht. Er muss den wirklichen Mörder finden.
In seiner Verzweiflung wendet er sich an die anderen Mitglieder der „Blauen“, ein Quartett, das es schon seit mehr als dreißig Jahren gibt. Dazu gehören der Sicherheitsberater Jaime, der Universitätsdozent Mario und Amelia, die Oppositionsführerin der Linken als erklärte Gegnerin des Innenministers. Sie alle versuchen mit ihren Mitteln und Möglichkeiten, Tomás zu helfen und geraten dabei selbst in Lebensgefahr, selbst Marios Familie ist bedroht. Doch sie verfolgen alle auch eigene persönliche Interessen. Das Gefüge der Gruppe gerät durcheinander und irgendwann weiß kaum einer, wem er noch wirklich vertrauen kann.
Die Suche nach dem Mörder der Schauspielerin zeigt eine Gesellschaft, die durch und durch korrupt ist, von wenigen – miteinander verfeindeten Kartellen und einer politischen Kaste – beherrscht wird, die Angst und Schrecken verbreiten, politischen Einfluss nehmen und denen jedes, wirklich jedes Mittel recht ist, die eigenen Interessen durchzusetzen. Eine Gesellschaft des gegenseitigen Misstrauens, der Überwachung bis in die Familien hinein.
Auf sehr subtile Art verweisen die letzten Sätze auf den Beginn des Romans:
„Drei Stadtviertel weiter schaute Jaime zum x-ten Mal auf den Bildschirm seines Computers: Zwei rote Pünktchen lagen immer noch direkt übereinander. Verstimmt holte er das Handy aus der Tasche und rief Tony Soprano an.“
Jeder aufmerksame Leser weiß nun, wie die Handlung tatsächlich endet. Ausmalen will man sich das allerdings nicht wirklich.
In seinen Anmerkungen schreibt Patterson :
„Die Handlung dieses Romans (bleibt) weit hinter dem zurück, was in Wirklichkeit in den obersten Kreisen der Macht geschieht … Die Namen und Ortsangaben wurden selbstverständlich durch andere, fiktive ersetzt. Aber die Beschreibungen des Politikbetriebes, die Skandale und die Analyse der historischen Entwicklung entstammen zu einem Großteil meiner mehr als zwanzigjährigen Erfahrung als Journalist.“
Patterson ist ein spannender, offensichtlich sehr wirklichkeitsnaher Krimi gelungen, der Perspektiven in die Untiefen einer Gesellschaft ermöglicht, in der ich nicht leben will. Ein dennoch bzw. gerade deshalb lesenswerter Kriminalroman.
Jorge Zepeda Patterson, Die Korrupten, a.d. mexikanischen Spanisch v. Nadine Mutz, Elster & Sallis AG, Zürich 2020, 478 S., ISBN 978-3-906903-15-6
2 Gedanken zu „Jorge Zepeda Patterson, Die Korrupten“
Lesestoff… unverzichtbar in diesen Tagen. Und deine Tipps sind mir immer willkommen. Danke dafür. lg Ellen
Für mich: nicht nur in diesen Tagen, aber in diesen Tagen besonders.
Es freut mich, dass meine Rezensionen dir willkommen sind.
Herzliche Abendgrüße