Georgi Demidow, Zwei Staatsanwälte

Georgi Demidow, Zwei Staatsanwälte

„Zwei Staatsanwälte“ ist die Geschichte zweier Staatsanwälte in der Zeit der stalinistischen, gnadenlosen und unmenschlichen Säuberungen, die alle treffen kann. Gründe dafür werden gefunden, müssen aber mit den wirklichen nicht übereinstimmen, Hauptsache der Schein wird gewahrt.
Der Roman beginnt mit den unfassbar erbärmlichen Zuständen in einem der überfüllten Gefängnissen, in dem mit den Bittschreiben der Gefangenen geheizt wird.
Dem damit beauftragten Gefangenen fällt ein offensichtlich mit Blut geschriebenes Schreiben auf, das er unter Todesgefahr aus dem Gefängnis schmuggelt.

Der noch sehr junge Staatsanwalt Kornew ist davon überzeugt, dass es seine Aufgabe ist „als Staatsanwalt für die Überwachung von Haftanstalten in der Stadt, in der er arbeitete, Fakten über Verstöße gegen die sozialistische Gesetzlichkeit seitens der örtlichen Sicherheitsorgane bei der Bearbeitung einiger Fälle von KR-Strafsachen“ zusammenzutragen. Er bekommt den geschmuggelten Brief, kann sogar den Absender identifizieren, da er den inhaftierten Staatsanwalt während seines Studiums kennengelernt hat, und beginnt, der Sache auf den Grund zu gehen.

Aufmerksame LeserInnen, die auch noch über ein wenig Geschichtskenntnisse verfügen, wissen, dass Kornew sich schon da selbst in den Fängen der Sicherheitsorgane befindet. Er selbst bemerkt dies erst aufgrund seiner idealistischen Ansichten und der Überzeugung, sich für die Gefangenen einzusetzen zu müssen und durch seine Position als Staatsanwalt auch tatsächlich kann, als es für ihn bereits zu spät ist.

Der Roman hat sicherlich die Intention anhand eines Einzelschicksals die Funktionsweise der staatlichen Vernichtungsmaschine darzustellen. Und der Autor weiß, wovon er schreibt, hat er doch selbst Jahre in einem Gulag leben müssen.
Dieser Roman galt lange als verschollen. In einem ausführlichen Nachwort von Thomas Martin und Irina Rastorgueva kann man sich über die verwinkelten Wege dieses Romans informieren.

Man muss kaum erwähnen, dass und welche Aktualität dieser in weiten Teilen kafkaeske Roman auch heute noch oder heute wieder hat, denkt man z.B. an den Tod Alexej Nawalnys, dessen offizieller Begründung sicher niemand, der noch einigermaßen klar denkt, Glauben schenken kann.

Der Galiani Verlag bezeichnet „Zwei Staatsanwälte“ als Roman. Es ist aber kein Roman mit einer durchgängigen Handlung, obschon eine Geschichte erzählt wird, die durch die Schilderung der Praxis Stalinistischer Säuberungen und deren verqueren Rechtfertigungen seitenlang unterbrochen bzw. ergänzt wird. Es ist ein Roman über staatliche Willkür und die damit überall herrschende Angst, die Menschen in allen Lebensbereichen in die Einsamkeit, Isolation drängt. Und das nicht nur in Isolationshaft sondern auch im ganz normalen Alltag. Denn jeder kann jeden jederzeit verraten.

Ein sicher wichtiger, lesenswerter, aber schwierig zu lesender Roman, nicht nur wegen des Inhalts, auch wegen der Sprache mit den vielen Bezeichnungen und Namen staatlicher Organisationen, ihrer hierarchischen Strukturen und den sich daraus ergebenden Rangbezeichnungen. Erläuterungen gibt es zwar im Anhang, unterbricht aber immer wieder den Lesefluss.

Georgi Demidow, Zwei Staatsanwälte, Eine Geschichte aus dem Großen Terror, Roman, hrsg. u.a.d. Russischen übersetzt v. Thomas Martin u. Irina Rastorgueva, Galiani Verlag Berlin 2025, 240 S., ISBN 978-3-86971-306-9

4 Gedanken zu „Georgi Demidow, Zwei Staatsanwälte

  1. Klingt in der Tat sehr anspruchsvoll, nicht nur der Inhalte wegen.
    Erinnert mich etwas an den kaum zu ertragenden iranischen Film „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“, der heimlich gedreht werden musste.
    Danke für die Vorstellung des Buches.
    Liebe Grüße

  2. Da stimme ich euch beiden zu und bewundere schreibende Menschen, die sich mit so viel Mut an die Öffentlichkeit wenden, um krasse Missstände anzuprangern. Salman Rushdie kam mir dabei auch in den Sinn.
    Merci für deine gute Buchrezension.
    Einen lieben Morgengruss, Brigitte

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