
Johanna Frid, Haralds Mama

„Jemand sagte meinen Namen, im Befehlston. Nicht wie ein freundlicher Gruß, sondern wie wenn man in der Sprechstunde beim Onkologen aufgerufen wird. Ein Todesurteil. Es war nur ein Name. Die Frau, die ihn gerufen hatte, betrachtete mich mehr oder weniger lächelnd. … Ich hoffte, dass sie mich nicht umarmen würde, so in einer Art flauschiger Strafe. Das perfekte Verbrechen.“
Die eine elegant gekleidet, den cremeweißen, französischen Mantel über der Schulter drapiert, die andere in gigantischer Daunenjacke. Eine Axt in ihrer Hand wäre nicht weiter aufgefallen.
Die Gegensätze zwischen diesen beiden Frauen sind von Beginn an sichtbar. Beide haben allerdings den gleichen Grund an diesem sehr kleinen Flughafen im Norden Schwedens zu sein. Sie warten auf Harald, den Freund bzw. den Sohn, und beide haben das gleiche Ziel: Harald nach seinem Entzug in einer Klinik, in der er wegen seiner Tablettenabhängigkeit war, mit nach Hause zu nehmen. Doch in wessen Zuhause?
Die Ankunft des Flugzeuges verzögert sich wegen eines aufkommenden Schneesturms immer wieder. Viel Zeit, die die beiden – notgedrungen – miteinander verbringen müssen, ein Ausweichen ist kaum möglich. Wie wird Harald, ein Mann wie ein Golden Retriever, die nur „Lächeln und Schwanzklopfen“ kennen, sich entscheiden?
Der natürlicherweise an äußerer Handlung arme Roman gibt tiefe Einblicke in die auf beiden Seiten des Paares schwierigen Familienverhältnisse und in die Schwierigkeiten, die sie auch in ihrer Beziehung und mit sich selbst haben. Die Tablettensucht Haralds dominiert ihr von vornherein nicht einfaches Zusammenleben. „Ich konnte ihm nicht länger Mama sein. Und Freundin auch nicht.“
Wie kann und wird das „Dreiecksdrama“ weitergehen und enden?
„Ich saß hier, weil Harald uns beide brauchte. Er liebte uns beide, fürchtete uns beide. … Das hier war eine Vorstellung, eine Einmannshow für Haralds Mama, in der ich mich der Rolle als Haralds Freundin würdig zu erweisen hatte.“
Mit zunehmender Wartezeit eskaliert die Situation auf ziemlich unschöne und unwürdige Art und Weise. Harald selbst erscheint nicht. Der Roman endet mit einer SMS:
„Jetzt heben wir ab:)))))) gefolgt von einer Menge Herzen und Kussmünder und Blumen.“
Johanna Frid, Jahrgang 1988, beschreibt in diesem Roman die diversen Konflikte sehr klar, in oft drastischer Sprache – Fäkalienausdrücke und Gassenjargon inklusive – und spiegelt somit sicher für ihre Generation passend den Beziehungs- und Generationenkonflikt mit offenem Ende.
Johanna Frid, Haralds Mama, Roman, a.d. Schwedischen v. Susanne Dahmann, Eichborn Verlag, Köln 2025, 320 S., ISBN 978-3-8479-0218-8
2 Gedanken zu „Johanna Frid, Haralds Mama“
Uh, das ist wohl eher harte Kost!
Danke für das Bekanntmachen mit dem Buch und der Geschichte.
Lieben Gruss durchs Regengrau,
Brigitte
Eher nicht meine Art von Lektüre!
Dankeschön fürs Besprechen aber trotzdem, und liebe Grüße von Sonja