Mieko Kawakami, Das gelbe Haus

Mieko Kawakami, Das gelbe Haus

„Ich würde sie nie vergessen, hatte ich gedacht, ganz gleich wo ich wohnte, ganz gleich wie alt ich würde, ganz gleich, was passierte.
Doch selbst das hatte ich, ohne dass es mir bewusst gewesen wäre, bis ich ihren Namen in dem kleinen Artikel las, auf den ich zufällig gestoßen war, vergessen, wie überhaupt alles, was mit ihr zu tun hatte: ihren Namen, ihre Existenz, unsere gemeinsame Zeit und das, was wir in dieser Zeit getan hatten.“

Diesen Artikel liest Hana, die Ich-Erzählerin dieses Romans, zu Beginn der „neuen Infektionskrankheit“. Er wirft sie völlig aus dem Lot, katapultiert er sie doch mehr als zwanzig Jahre zurück, in die Zeit, als sie mit Kimiko Yoshikawa aus Shinjuku, versucht hat, ein selbstbestimmtes und selbstfinanziertes Leben zu führen und damit sich selbst, aber auch ihrer Mutter ein besseres Leben zu ermöglichen. Kimiko hat sie damals „unter ihre Fittiche“ genommen.

Und diese Kimiko ist verhaftet worden und steht nun wegen Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung vor Gericht, eine Nachricht, die Angst und Panik in Hana hochkommen lässt.

Warum das so ist, erfährt im Verlauf des Romans mit krimihaften Zügen, der sehr ausführlich von Hanas Leben erzählt, die – noch minderjährig, aber von ihrer Mutter kaum beachtet – mit Kimiko zusammen eine Bar führt und eisern Geld spart, das sie in einer Box in ihrem Kleiderschrank versteckt. Für sie eiserne Reserve und verbunden mit der Vision eines besseren Lebens als das ihrer Mutter.

Aber Hana hat wenig Glück: ihr Geld wird von einem Freund Kimikos geklaut, später brennt die Bar ab und sie stehen mehr oder weniger mittellos da. Doch Hana mit ihrem unbändigen Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen, sorgt für eine neue Unterkunft: das gelbe Haus und beginnt wieder Geld zu sparen.

Gelb weil „Gelb im Westen Geld ins Haus bringt“. Es gibt eine gelbe Ecke mit vielen gelben Figuren, die stets sauber gehalten werden müssen, damit sie ihre Wirkung entfalten könnte. Sie will eine neue Bar führen, ein neues „Lemon“.

Doch später dämmert ihr dann nach und nach die Unmöglichkeit, diese Vision Realität werden zu lassen: sie ist nicht registriert, hat keine offizielle Arbeit, keine Adresse und somit auch nicht die Möglichkeit, Verträge, Versicherungen etc. abzuschließen.

Dennoch spart sie, weil Geld für sie der Inbegriff von Freiheit ist, ohne dass sie merkt, auf welche Art und Weise sie sich „verkauft“ und immer mehr in illegale Geldbeschaffungsgeschäfte gerät, in deren Hintergrund man mafiaähnliche Organisationen vermuten kann. Mit ihr leben dann noch zwei weitere jugendliche, mittellose Mädchen im gelben Haus, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen können oder wollen. Im Gegensatz zu Hana gehen sie sehr sorglos, spaßorientiert durchs Leben mit wiederum gravierenden Folgen für Hana.

Der Roman zeigt in eindrücklicher Weise die Schattenseite der japanischen Gesellschaft, in der vor allem mittellose Frauen kaum in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und aufgrund dessen immer wieder in gefährliche Situationen geraten. Sie werden ausgenutzt, zum Teil verprügelt oder aussortiert.
Gleichzeitig gibt es aber so etwas wie eine ausgeklügelte Schattenwirtschaft, in der Konten von Reichen mit gekauten und /oder gefälschten Kreditkarten geplündert werden, die angeblich kaum merken, dass ihre Konten kleiner geworden sind. Und davon profitieren dann auch Frauen wie Hana, die wirderum einer anderen unterstellt ist.

Kraft und Wille einer einzelnen Person, die sich dann auch noch für ihre Mitbewohnerinnen verantwortlich fühlt, aber reichen nicht. Hana kommt ans Ende ihrer Kraft.

Es ist ein Roman mit sicher aufklärerischer Intention, allerdings in weiten Teilen derart ausführlich und langatmig, etwa wenn Hana seitenlang erklärt wird, was Kreditkarten sind, wie und wo sie eingesetzt werden, dann legt man das Buch weg. Das ist mir mehrfach passiert. Nicht die Anzahl der Seiten ist das Problem, sondern ständige und dann auch noch langatmige Wiederholungen, s. die eingangs zitierten Sätze und das nahezu den gesamten Roman über.
Diesem Roman hätte ich mutige LektorInnen gewünscht, die in der Lage sind radikal zu kürzen um dann das Wesentliche des Romans leuchten zu lassen, gerne auch gelb ;)

Ihre anderen Romane haben mir weitaus besser gefallen.

Mieko Kawakami, Das gelbe Haus, Roman, a.d.Japanischen v. Katja Busson, Dumont Verlag, Köln 2025, 524 S., ISBN 978-3-8321-6834-6

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert