Sebastian Haffner, Abschied

Sebastian Haffner, Abschied

Schon das Cover verweist auf den Inhalt und lässt die Zeit der Handlung erkennen, die in Volker Weidermanns Nachwort ausführlich erklärt wird. Dort finden sich auch entsprechende Hinweise auf die autobiografischen Bezüge zum Autor dieses Romans. Sebastian Haffner ist vielen vielleicht als Verfasser historischer Bücher bekannt, sicher aber nicht als Romanautor.

„Abschied“, 1939 im Exil entstanden, erzählt von der noch verbleibenden sehr kurzen Zeit, die Raimund Pretzel – so hieß auch Sebastian Haffner zunächst – mit seiner großen Liebe Teddy, vielleicht sollte man eher den Begriff „Flamme“ benutzen – noch in Paris verbringen kann, denn die nicht zu verschiebende Rückreise nach Deutschland, wo er als Rechtsreferendar arbeitet, steht bevor. Er möchte diese Zeit gern mit Teddy allein verbringen, doch die denkt gar nicht daran, ihre Termine mit Freunden und einem ihrer Arbeitgeber abzusagen.

Raimund redet und verhält sich wie ein eifersüchtiger Teenager, der nicht darauf klar kommt, dass seine „Angebetete“ nicht nur Kontakt mit ihm allein haben will, trotz der so kurzen Zeit, die ihnen noch bleibt.

„Ich wurde langsam verrückt. Ich fing an wie ein Idiot zu reden. … Wenn ich hörte, was aus meinem Mnd herauskam, erschrak ich immer, wie blöde es war.“

Ja, meines Erachtens verhält er sich tatsächlich wie ein Idiot, bestimmt von seinen bürgerlichen Vorstellungen einer Frau, redet von ihr und ihren Sachen in Diminutiven wie „Handtäschen“, „Spiegelchen“,Pulloverchen“, sie sitze wie eine „Sofapuppe“ in dem Sessel seines Pensionszimmers. Und das Benutzen eines Lippenstiftes bewertet Raimund so:

„Ob Teddy sich malte, war eine Art Barometer ihrer Freundschaft für mich. Ein paar Tage hatte sie es mir zuliebe gelassen, gestern aber, nach einem Krach, hatte sie sich mit einer gewissen feindseligen Ausführlichkeit den Dreck auf die Lippen gestrichen, als streiche sie ihn mir aufs Butterbrot.“

Hier wird für mich das Frauenbild des damals vorherrschenden Nationalsozialismus erkennbar, das noch weit in die Fünfziger und Sechziger des letzten Jahrhunderts wirkmächtig war: sittsam, bescheiden und rein.

Auch in den zahlreichen Krächen – mit einem beginnt der Roman denn dann auch:
Der Sonnabend war ein unseliger Tag. Ich war mit Teddy böse, und damit nicht genug, Teddy war mit mir böse.“ – geht’s eher um Nichtigkeiten, nicht um Wesentliches. Dennoch „verklemmt“ es Raimund immer wieder „die Seele“.

Letztendlich kommt Raimund mit Teddys Freiheitsliebe zu tun, zu denken und zu handeln, wie sie es will, nicht klar, obwohl ihn ihr Verhalten dann auch wieder fasziniert. Diese Freiheitsliebe hat sie auch von Berlin nach Paris gehenlassen:

“ ‚In Berlin‘, sagte Teddy plötzlich brutal, ‚da gibt es zweierlei für mich: Verheiratet werden oder ganz kleines Tippfräulein.‘
‚Du hast Angst vor Berlin.‘
‚Ja.‘ …
‚ Nach Berlin zurück ich jedenfalls bestimmt nicht.‘ „
Obwohl sie in Berlin eine große Familie hat.

Andeutungen an die dunkle Zeit in Deutschland gibt es immer wieder, ist als Hintergrund stets vorhanden. So auch in der letzten Szene des Abschiednehmens auf dem Bahnsteig:
„Rund um uns hingen Trauben von Abschiednehmenden an den Fenstern, und alle sagten dasselbe – ein Massengrab von Abschied.“

Der Roman ist sicherlich ein literarisches Abbild einer schwärmerischen Liebe auf dem Hintergrund der damaligen Zeit und als solches auch zu werten.
Nur mich persönlich hat die Hohlheit und Oberflächlichkeit der Dialoge, in denen kaum erkennbar ist, worum es eigentlich geht, gelangweilt, obschon sich auch darin die damalige Beziehungslosigkeit der Geschlechter spiegelt.

Sebastian Haffner, Abschied, Roman mit einem Nachwort v. Volker Weidermann, München 2025, 192 S., ISBN978-3-446-28482-1

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