Christoph Quarch, Liebe – der Geschmack des Christentums

Christoph Quarch, Liebe – der Geschmack des Christentums

Dieses kleine Büchlein ist ein leidenschaftliches „Plädoyer für eine erotische Spiritualität“. Ja, Sie haben richtig gelesen. Was aber haben Erotik und Spiritualität miteinander zu tun?

image

Für Quarch ist – in Übereinstimmung mit Schleiermacher – Kirche keine „moralische Erziehungsanstalt und die Religion nicht ein Programm zur Implementierung ethischer Standards“ sondern:

„Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche.“ (Schleiermacher)

Öffentlich wahrgenommen werden Religion und die sie vertretenden Kirchen aber fast durchweg durch „ihren Anspruch auf moralische Autorität“, was zu „deren dramatischer Entfremdung von ihrem sprituellen Kern geführt hat„. Sie haben „vor lauter moralischen Höhenflügen die spirituelle Bodenhaftung verloren“ und sind folglich nicht mehr in der Lage, die spirituellen Bedürfnisse moderner Menschen zu befriedigen.

Wie es dazu gekommen ist, macht Quarch an der seiner Meinung nach fatalen Aufspaltung des Begriffs Liebe in „eine gute, tugenhafte, entsinnlichte und fleischlose Liebe namens Caritas, und ein(!) böse, lasterhafte, sinnliche und körperliche Liebe namens Eros“ deutlich, die seit Augustinus gebräuchlich ist.

Gut nachvollziehbar stellt er dann dar, was seiner Ansicht nach unter Eros zu verstehen ist und macht an Beispielen deutlich, welch enorme Kraft und Sinnlichkeit ihm innewohnt, ein lebendiges, erfülltes, mit allen Sinnen erfahrbares Leben zu führen. Denn:

„Er ist entflammt von der Schönheit des Kosmos und der Natur. Und zuletzt erkennt er, dass die Schönheit in allem am Ende die Schönheit Gottes ist. So trägt er die Seele im Sog des Schönen zum Göttlichen.“

Jesus ist dann für ihn der Jesus eroticus, nämlich ein beherzter und tatkräftiger Mensch, der in konkreten Situationen handelt und das nicht nur mit „gewaltfreier Kommunikation“, sondern – wenn die Situation es erfordert, auch mit dem Schwert in der Hand, ohne Diskussion, ohne Bekenntnis zu irgendeiner Moral und ohne gesellschaftliches Ansehen der Person.

Im letzten Teil des Buches zeigt Quarch auf, wie aus seiner Sicht erotische Spiritualität möglich ist und was es dazu braucht. Auf jeden Fall die folgenden fünf Säulen, die im Alltag eingeübt werden und zu einer Haltung werden sollten:
besinnen,
bezaubern,
begeistern,
bewegen,
berühren.

Das Buch enthält außergewöhnliche, ungewohnte, spannende, auf jeden Fall aber bedenkenswerte Ansichten und Vorschläge, mit deren Ausübung jeder Einzelne bei sich beginnen kann, wenn er mag. Gerichtet ist es aber wohl an Kirchenvertreter, sich darüber Gedanken zu machen, wie sie Menschen dabei unterstützten können, sich der Nachfolge Jesu zu verschreiben als einem „sinnlich-erotischen Projekt, … das vor allem Hingabe und Mut erfordert und nicht so sehr nüchternes Kalkül und moralischen Gehorsam.“

Ich befürchte nur, dass die „schwarzgewandeten Pastorinnen und Pastoren“ erst einmal selbst ihre erotische Spiritualität entdecken müssten, bevor sie in der Lage sind und den Mut haben, entsprechende (Kirchen-) Räume zu öffnen und zu gestalten.
Für mich ein interessantes, inspirierendes Buch, mit Begeisterung und Leidenschaft geschrieben, so dass man als Leser gleichzeitig hautnah erlebt, worüber der Autor inhaltlich schreibt.

Christoph Quarch, Liebe – der Geschmack des Christentums, Plädoyer für eine erotische Spiritualität, Schriften zur Glaubensreform Bd. 7, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2015, 87 S., ISBN 978-3-579-08199-1

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert