Isabela Figueiredo, Roter Staub

Isabela Figueiredo, Roter Staub

„Roter Staub“ sind die Erinnerungen eines jungen Mädchens – gedacht als Brief an den Vater – das mit den Eltern in „Mosambik am Ende der Kolonialzeit“ lebt. Es bricht damit auf sprachlich drastische Art und Weise „das Schweigen darüber, was lange geheimgehalten oder verborgen wurde. Was einem keinerlei Ehre einträgt. … Wir haben nichts gesehen, wir wissen nichts, darüber haben wir nie reden hören, wir haben nichts bemerkt.“

In diesem Buch geht es unverblümt darum, welche rassistischen, kolonialistischen Ansichten weiße Portugieser*innen von den schwarzen Einwohnern hatten, die Mosambik als ihr Land, ihren Besitz ansahen, darüber verfügten und das als die „natürliche und unhinterfragbare Ordnung der Dinge und aller Beziehungen“ ansahen, einschließlich der Bevölkerung, die über keinerlei Rechte verfügten, sondern völlig von der Gunst der Weißen abhängig waren.

„Ich beobachtete die Welt, in der ich lebte, ich lauschte auf Worte, begierig zu verstehen und zu lernen. Ich beobachtete die Welt um zu begreifen, was die Menschen antrieb. … Nicht verstanden zu haben. Dort nahm alles seinen Anfang.“

Und was die Ich-Erzählerin da hört, ist drastisch, rassistisch, abwertend und menschenverachtend, aber „gang und gäbe“. Da ist von „verdammten Negern“ die Rede, „die man überwachen, mit ein paar ordentlichen Schubsern und großzügig ausgeteilten, treffsicheren Schlägen sowie diversen Fußtritten hinterher zur Arbeit anhalten (musste), mit einer pädagogischen Abreibung also, die auch nötig war, damit es mit der Arbeit voranging.“ Genau das ist die Aufgabe ihres Vaters, der für die Elektrifizierung von Neubauten in Lourenço Marques zuständig war.

Schwarze Frauen stehen – rechtlos – auf der Rangordnung ganz unten und dennoch steigen ihnen die weißen Männer nach, fühlen sich dabei als „Abenteurer, echte Kerle.“ Auch ihr Vater bedient sich, von dem sie schreibt: „Er strahlte Lebenslust aus, er aß gern, trank und fickte gern, ich habe es schon gesagt. Mein Vater verströmte diese Lust geradezu.“ , während ihre Mutter eher die Rolle der „züchtige Hausfrau“ einnahm, die sie als Mädchen und dessen guten Ruf zu überwachen hatte. „Der Körper meiner Mutter war geometrisch und abweisend. Ich durfte ihn nicht berühren.“

Die Ich-Erzählerin allerdings „dachte mit dem Herzen, denn es ist im Körper die Instanz, mit der man am Anfang und am Ende denkt.“ So ist es für sie ganz normal, mit dem schwarzen Nachbarjungen zu spielen, auch wenn ihre Mutter ihr das explizit verbietet. Strafen nimmt sie dafür in Kauf.

Als die Unabhängigkeitsbestrebungen im Land beginnen, schicken die Eltern ihre Tochter nach Portugal zurück. „Die Zeit der Weißen war vorbei. … Ich war dort die fleischgewordene Figur des besiegten Landes, das man plündern durfte.“

Dort soll sie dann die Wahrheit (der Weißen) verbreiten. Und sie verbreitet sie mit diesem Buch:
„Ich brachte die Wahrheit mit. Ihre Wahrheit. Auch meine Wahrheit, doch sie konnten sich bestimmt nicht vorstellen, daß ich eine ganz eigene Wahrheit hätte, die nichts mit der ihren zu tun hatte.

Es ist ein Buch geworden, das viel Kritik provoziert. Isabela Figueiredo wird als „Nestbeschmutzerin“ verunglimpft von denen, die sich inhaltlich der Kritik am Verhalten der Weißen nicht stellen, die nach wie vor an ihrer Ideologie der Überlegenheit festhalten.

Es ist ein wichtiges, vielleicht sogar schockierendes Buch, eins, das einen nicht kalt lassen wird. Die Autorin benutzt keine „politisch korrekten Begriffe“, sondern genau die, mit denen Weiße ihre Überlegenheit zum Ausdruck gebracht haben, häufig leider noch immer.
Mich hat zudem erstaunt bzw. entsetzt, wie viel rassistisches Gedankengut in meiner Kindheit im Denken der Erwachsenen noch präsent war.

In „Die Dicke“ verarbeitet die Autorin, die sich in jeder Hinsicht als heimatlos und nirgends zugehörig empfindet, dann ihre Jugend in Portugal, zunächst ohne die Eltern, die erst später aus Mosambik zurückkehren. „Ein Mensch braucht Zeit, um die Vergangenheit über Bord zu werfen. Ich habe mich von vielem befreit.“ – schreibend.

Isabela Figueiredo, Roter Staub. Mosambik am Ende der Kolonialzeit, a.d. Portugiesischen v. Markus Sahr, mit einem Nachwort v SophieSumburane, Weidle Verlag, Bonn, 2. Aufl. 2020, 170 S., ISBN 978-3-938803-94-3

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