Anna Andlauer, Zurück ins Leben
Der Untertitel macht deutlich, worum es in dieser Studie geht: Um „Das internationale Kinderzentrum Kloster Indersdorf 1945-46“, in dem Kinder und Jugendliche aufgenommen wurden, die die KZ-Lager überlebt hatten. Sie befanden sich in jeder Hinsicht in einer dramatischen, existenziell bedrohlichen Situation, da sie nichts mehr hatten, als die schrecklichen Erfahrungen vor und während ihres Lageraufenthaltes und die damit verbundene Konsequenzen: Hunger, Krankheiten, Verlust familiärer Bindungen und Vertrauen in die Welt der Erwachsenen. „Sie standen entwicklungspsychologisch an der Schwelle zur Pubertät und waren höchst orientierungs- und betreuungsbedürftig; angesichts ihrer Erfahrungen waren sie jedoch keine Kinder- und Jugendlichen mehr.“
Greta Fischer, einer Jüdin aus Mähren, die „schon früh eine unabhängige, selbstbewusste, charakterstarke Frau war, und ihren vielen Mitarbeitern ist es zu verdanken, dass die Kinder den Weg „Zurück ins Leben fanden“. Sie erkannte und würdigte, “ dass jedes Kind, auch wenn es noch so verletzt ist, Kräfte zur Lebensgestaltung zurückgewinnen kann, die nur verborgen oder durch die Schwierigkeiten des Lebens unterdrückt sind.“ So entwickelte sie mit ihrem Team einen ganzheitlichen Ansatz, um die verborgenen heilenden Kräfte zur Entfaltung zu bringen. Wie mühselig und schwierig das war, erfährt man u.a. durch Texte aus dem Nachlass Greta Fischers und Aussagen der Betroffenen, die Anna Andlauer aufgespürt und zum Reden gebracht hat.
Das Buch ist nicht nur eine detaillierte, mit vielen Zahlen belegte Abhandlung über das, was sich in den Klostermauern ereignet hat, sondern auch Dokumentation über (lebenslange) Freundschaften zwischen den sehr betagten früheren Bewohnern, über neu entstandene Freundschaften, über Versöhnung und die (bürokra-tischen) Hindernisse auf dem Weg dahin und das beeindruckende Leben der Greta Fischer mit ihren Erziehungsvorstellungen, die heute so aktuell sind wie damals.
Inhaltliche Wiederholungen ergeben sich durch das Kapitel: Greta Fischer – Stationen ihres Lebens, da bereits vorher die Grundlagen ihrer Arbeit deutlich geworden sind. Immer dann, wenn nicht so viele Zahlen im Spiel waren bzw. im Text vorkamen, sondern Beträge der Beteiligten war es eine interessante, gut lesbare Dokumentation einer sicher sinnvollen Einrichtung, die Überlebenden des Holocaust mühevoll einen „Weg zurück ins Leben“ ermöglicht hat. Anna Andlauer und ihrer Mühen sei dank, dass sie aus der Vergessenheit zurück in das (kollektive) Gedächtnis gehoben werden konnten.
Dabei helfen auch die zahlreichen Bilder, vor allem die Bilder der Kinder, die auf den Innenseiten zu Beginn und am Ende des Buches abgebildet sind, so dass die Kinder nicht nur einen Namen, sondern auch ein Gesicht bekommen, meist mir großen Augen, die in die Welt blicken .
Anna Andlauer, Zurück ins Leben. Das internationale Kinderzentrum Kloster Indersdorf 1945-46, Nürnberg 2011, 189 S., ISBN 978-3-938286-40-1
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