Dass ich sein kann, wie ich bin
Zweimal habe ich Hilde Domin bei Lesungen erlebt und war beide Male fasziniert von ihrer Lebendigkeit, Klarheit und Offenheit. Ich mag ihre Gedichte und mochte ihre Art des Vortrages. Sie las ihre Gedichtes stets zweimal und gab damit den Hörern die Möglichkeit, sie besser zu verinnerlichen. Daher habe ich mir auch den Film „Ich will dich“ über sie angesehen. Jetzt, zu ihrem hundersten Geburtstag am 27. Juli, ist eine lesenswerte Gesamtbiographie vom Marion Tauschwitz erschienen: Dass ich sein kann, wie ich bin.
Dass Hilde Palm eine solch problematische Ehe geführt hat, in der sich sich teilweise bis zur Unterwürfigkeit ihrem Mann untergeordnet hat, der offensichtlich die (dichterischen) Stärken seiner Frau stets als nicht zu duldende Rivalität empfunden hat, aber kein Problem damit hatte, Hilde für sich arbeiten zu lassen, ohne bei Veröffentlichungen ihren Anteil anzugeben, hat mich doch in höchstem Maße erstaunt. Welch eine Kraft und Energie muss diese Frau in ihrem Leben aufgebracht haben, um das zu sein, was sie war! „Für mich war die Liebe im Leben immer das Wichtigste, wichtiger als Erfolg … Durch Liebe hatte ich meine Aufgabe im Leben.“
Liebe scheint ihr lebenslanger „Motor“ gewesen zu sein, der ihr die Kraft für das „Und dennoch“ in ihrem privaten Leben, aber auch für ihr gesellschaftliches und politisches Engagement gegeben hat. Sie hat sich immer wieder eingemischt, ihre Stimme erhoben und sich damit oft unbeliebt gemacht – mit weitreichenden Folgen für die Veröffentlichung ihrer Gedichte. Eine unbequeme Frau, deren Mindestutopie, ohne die es sich nicht lohnt, Mensch zu sein, lautet: Nicht im Stich zu lassen. Sich nicht und andere nicht. Und nicht im Stich gelassen werden.
Die Biographie ist gespickt mit Auszügen aus ihren Briefen, ihren Essays und Gedichten, die einen engen Zusammenhang zu ihrer jeweiligen Lebenssituation aufzeigen. Die Gedichte, als fortlaufender Text gedruckt, sind schwer zu lesen, verliereren durch die Aufgabe der Form an Sinnlichkeit und Verständlichkeit. Anfangs habe ich versucht, die Gedichte parallel in der Originalfassung zu lesen, doch das hält dann arg auf. Dass eine andere Druckweise den Rahmen bzw. den Umfang des Buches gesprengt hätte, ist mir natürlich klar, verdeutlicht aber noch einmal die Bedeutung der Form eines Gegichtes.
Marion Tauschwitz, Dass ich sein kann, wie ich bin. Hilde Domin. Die Biografie, Heidelberg 2009, 575 S. ISBN 978-3-930378-81-4
4 Gedanken zu „Dass ich sein kann, wie ich bin“
Ich habe den Film über Hilde Domin vor einem Jahr gesehen. Er hat mich sehr berührt und ist mir lange nachgegangen.
Vielen Dank für deinen HInweis zur Biographie!
Herzliche Grüsse,
Illusionengestruepp