Heinrich Böll, Der Engel schwieg
„Der Engels schwieg“ ist der erste Roman Heinrich Bölls, entstanden in der Zeit von 1949-1951, aber erst 40 Jahre später veröffentlicht, vermutlich weil die erzählte Liebesgeschichte inmitten der Trümmerlandschaft einer deutschen Großstadt spielt, geprägt von Hunger, Trostlosigkeit, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und der Suche nach der eigenen Identität, die nicht damit endet, endlich gültige Papiere in der Hand zu haben. Sie beginnt am 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation, mit der Rückkehr des Ich-Erzählers, der direkt am Tag nach seiner Gesellenprüfung eingezogen worden ist und den Krieg nur überlebt hat, weil ein anderer für ihn erschossen worden ist: „Ich sollte leben, ich wollte sogar leben – – und er wollte mir das Leben schenken, aber ich begreife jetzt, daß man jemand das Leben schenken kann, indem man ihm den Tod stiehlt.“ Lange kommt er in seinem Leben nicht an, doch mithilfe einer Frau, die erst vor kurzem ihr Baby verloren hat, ihn aufnimmt und in der ersten Zeit versorgt, gelingt es ihm nach und nach:“ er war aus dem Bett aufgestanden, hatte etwas Unwiderrufliches getan, etwas, was nicht rückgängig zu machen war: er hatte das Leben angenommen, und es drängte sich für ihn hier zusammen: eine kurze Spanne Unendlichkeit, die voll Schmerz und Glück war …“ . Sie bleiben zusammen, es scheint eine Art Notgemeinschaft zu sein, die ohne viel Worte auskommt. Für ihn ist sie seine Frau auch ohne staatlichen oder kirchlichen Segen, sehr zum Unmut eines katholischen Priesters, der ihn ständig drängt, Reue zu zeigen und sich trauen zu lassen.
In einer Rezension hat die FAZ diesen Roman als „Böllschen Urfaust“ bezeichnet. In der Tat weist er viele Motive und Themen auf, die Böll in späteren Werken wieder aufgreift, die Sprache ist in Böllscher Manier gehalten: einfach und doch sehr präzise und einfühlsam, vieles bleibt ungesagt und ist dennoch äußerst beredt und aussagekräftig. Standesvertreter von Kirche, Ärzteschaft werden kritisiert, einfach indem dargestellt wird, wie sie handeln, vor allem wie sie mit Menschen umgehen. Ein relativ kurzer, sehr lesenswerter Roman.
Heinrich Böll, Der Engel schwieg, Roman, Köln 1992, 191 S. mit Anmerkungen zur Überlieferung und Textgestalt sowie einem Nachwort von Werner Bellmann, ISBN 3-462-02214-8
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