Holger Senzel, Später Zeuge

Holger Senzel, Später Zeuge

Professor Dr. Dr. Peter Zielke ist der Protagonist dieses Krimierstlings von Holger Senzel. Zielke ist der angesehene ärztliche Direktor in der Klinik seines Schwiegervaters, renommierter Onkologe, der Millionen für wohltätige Zwecke sammelt und regelmäßig in Afrika praktiziert, gefragter Gast in Talkshows. Einer, der es geschafft hat und die wichtigsten Attribute der „Sparkassen-Werbung“ besitzt: „Mein Haus (mit Blick auf die Elbe), mein Auto (natürlich ist es ein Porsche – was denn sonst) …“

Er ist stolz auf das „Messingschild auf dunklem Nussbauholz im Edelstahlaufzug neben dem obersten Knopf. Das bin ich! Klein-Peter aus der niedersächsischen Provinz! Es verblüfft mich jedes Mal aufs Neue. Den Kleinbürger tief in meinem Herzen mit all der Unsicherheit und dem brennenden Ehrgeiz, es allen zu zeigen.“

Und diesem Aufsteiger begegnet in der Tiefgarage Hans-Georg Kramer, ein Mann, der über Zielkes tiefstes Geheimnis Bescheid weiß: Zielke hat vor über 25 Jahren zwei Menschen erschossen und Millionen aus einem Raubüberfall an sich genommen. Dieser Kramer ist sterbenskrank und erwartet von Zielke, dass er ihn gesund macht, anderenfalls werde nach seinem Tod sein Anwalt die Beweise für seine Taten an die Polizei weiterleiten. Doch Kramer ist nicht mehr zu helfen, sein Krebs ist derart weit fortgeschritten, dass Heilung nicht mehr möglich ist.

Ein Drama nimmt seinen Lauf, nein es ist eine Tragödie, in der es traditionell keinen Ausweg für den Helden gibt, egal was er auch unternimmt. Das erfährt der Leser bereits auf der ersten Seite, durch eine Definition des Begriffs der Tragödie, einem Zitat aus Gero von Wilperts Sachwörterbuch der Literatur.

Man schaut also dem Protagonisten dabei zu, wie er versucht, einen Ausweg aus der Ausweglosigkeit zu finden, wie nach und nach alles ins Wanken gerät, worauf er bisher so stolz war, was ihm Selbstbewusstsein gegeben, seinen Selbstwert bestimmt hat. Und erkennt, dass Professor Dr. Dr. Zielke ein Mensch ist, der nicht gelernt hat, wirklich Verantwortung zu übernehmen für sein eigenes Verhalten. Der das, was nicht sein darf, versucht auch nicht wahrzunehmen. Mit verheerenden Konsequenzen.

Immer wieder spricht er in „Man-Sätzen“, denkt darüber nach, was gewesen wäre, wenn, „Ich konnte bloß nichts dagegen tun.“ Doch hätte er, wollte er aber nicht. Einem solchen, mit viel Selbstmitleid gewürztem Verhalten auf Dauer zuzusehen, ist schwer auszuhalten. Sein Misstrauen seinen Freunden und Kollegen gegenüber, seine Unfähigkeit, zu unterscheiden, wem er sich wirklich anvertrauen kann und wem nicht, sind insgesamt allzu vorhersehbar.

Dennoch erzeugt der Krimi Spannung, weil man wissen will, wie genau die Tragödie endet. Und wer sie wie beendet.

Holger Senzel, Später Zeuge, Roman, Nagel & Kimche Verlag, München 2020, 335 S., ISBN 978-3-312-01167-4

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