Isabel Ashdown, Am Ende eines Sommers
Der Prolog – kursiv gedruckt – ist eigentlich der Epilog, doch das weiß man zu Beginn des Romans „Am Ende eines Sommers“ natürlich nicht. Er enthält alle Elemente des Romans: die (Haupt-) Personen, der Wunsch nach Freiheit, nach Verständnis, die ohrenbetäubenden Erinnerungen und die Lösung des Konflikts, von dem man noch keine Ahnung hat.
Erzählt werden zwei ineinander verwobene, zeitlich unterschiedliche, aber aufeinanderzulaufende Erzählstränge, jeweils aus der Ich-Perspektive von Mary und Jake, von Mutter und Sohn.
In den sechzigern des 20igsten Jahrhunderts wächst Mary mit Rachel, ihrer Schwester, in einem gut bürgerlichen Elternhaus auf, in dem es üblich ist, dass nur die Männer zur Ehe taugen, die von den Eltern als Versorger ihrer Töchter akzeptiert werden, was nicht heißt, dass die beiden Mädchen nicht heimlich sexuelle Verhältnisse haben, über die sie offen miteinander sprechen: “ Er mag ein griechischer Gott sein, aber er ist kein Versorger. Mummy würde sich nie davon erholen, und ich will nicht diejenige sein, die sie endgültig überschnappen lässt.“ weist Rachel Mary zurecht.
Doch Mary wählt ihren „griechischen Gott“ und wird deshalb aus ihrer Familie ausgeschlossen. Zu ihrem dreißigsten Geburtstag erhält sie alle an den Vater geschriebenen Briefe, mit der Hoffnung auf einen möglichen Kontakt, ungeöffnet zurück, abgeschickt von ihrer Mutter. Auch Rachel lässt die Schwester fallen, die mit der Ausgrenzung kaum zurecht kommt, zumal auch die Schwiegermutter sie und ihre drei Kinder ablehnt, ohne dass jemand weiß warum. Billy, Marys Mann, sagt einmal: Sie kann nicht anders. Mary fühlt sich wertlos, da hilft auch die Liebe ihrer Kinder und ihres Mannes nicht. Sie wird depressiv, alkoholabhängig und bemüht sich dennoch krampfhaft, ihren Kindern eine gute Mutter zu sein.
Der dreizehnjährige Jake, Marys mittlerer Sohn, versucht in den Achtzigern sein eigenes Leben zu leben, sich zu finden, schwer in seiner häuslichen Umgebung: Vater ausgezogen, ältester Bruder weggelaufen, und da ist dann auch noch Andy, der jüngere Bruder, den er versorgen muss, wenn die Mutter dazu nicht in der Lage ist. Dennoch schafft Jake es, Kontakt zu allen zu halten, er nimmt einen Job an, um sich eine Midi-Anlage kaufen zu können und freut sich, dass es scheinbar doch einen gemeinsamen, versöhnlichen Weg gibt: der Kontakt zu Rachel ist nach dem Tod ihres Mannes wieder möglich, Mary und Billy sorgen wieder gemeinsam für ihre Kinder und fahren mit ihnen in die Ferien: zu Rachel nach Frankreich, wo diese ein kleines einfaches Ferienhaus hat. Und dann kommt es zu einer Katastrophe, die der Leser schon lange vorher durch Andeutungen kommen sieht – doch das Ergebnis ist dann ziemlich brutal und nur teilweise nachvollziehbar, vor allem der Umgang mit ihr.
Ein Buch um Selbstfindung, den Schwierigkeiten bei der Realisation durch Erziehung, Normen, Vorurteilen, Unfähig-keit, Konflikte anzugehen, auszuhalten und nach passen-den Lösungen zu suchen. Aber auch der Heil-Kraft von Menschen, die zu Lösungen beitragen- ohne dies zu wissen, einfach weil sie da sind, zuhören und Menschen annehmen können wie sie sind.
Isabel Ashdown, Am Ende eines Sommers, Roman, Übersetzt aus dem Englischen von Rainer Schmidt, FFM 2010, 351 S., ISBN 978-3-8218-6120-3