Pierre Bost, Bankrott
Den bereits 1928 in Frankreich erschienenen Roman hat nun der Dörlemann Verlag neu herausgegeben, wie gewohnt im lesefreundlichen Format, leinengebunden und mit farbig passendem Lesebändchen.
Der Übersetzer Rainer Moritz interpretiert in seinem Nachwort den Roman mit seinem Protagonisten in zutreffender Weise. Dort ist zu lesen, der Roman sei „ein psychologisches Kabinettstück, ein genau durchgearbeitetes Porträt eines Mannes, der früh altert und aus dem Dilemma seines Lebens keinen Ausweg mehr findet.“
Dabei beginnt der Roman mit folgendem Satz so leicht, so einfach:
„Brugnons Jugend verlief unbeschwert. Sein Vater war reich, und seine Mutter pflegte zärtlichen Umgang mit ihm. Beide hatten ihn früh zur Arbeit angehalten, und es gab niemanden, der ihm nahegelegt hatte, an diesen Worten zu zweifeln. Der einzige Traum, den er sich eines Tages erfüllen wollte, bestand darin, jeden Morgen an die Arbeit zu gehen, sich eine Pause von einer Stunde zu gönnen, danach weiterzuarbeiten und schließlich sehr spät am Abend damit aufzuhören.“
Welche Untiefen sich daraus ergeben können, kann der noch ahnungslose Leser nicht ermessen. Wer aber bei diesen Worten bereits aufhorcht, kann ahnen, welches Leben sich hinter Brugnons Traum verbirgt. Es ist das Leben eines Workoholics, dessen Eifer der Vater damals schon nicht zügeln konnte. Mit fünfunddreißig wird der Sohn Teilhaber im Geschäft seines Vaters, der mit Zucker handelt.
„Dann starb sein Vater. Brugnon hatte soviel Geschick darauf verwandt, ihn nachzuahmen, ihm in allem zu folgen und sein Werk fortzusetzen, dass dieser Tod, der ihn zuerst grausam traf, als hätte er ihn selbst zerstört, ihn als Erbschaft eines ganzen Lebnes hinterließ, das sich dem seinigen hinzufügte.“
Geschäftlich ist Brugnon trotz anderslautender Gerüchte erfolgreich. Doch dann verliebt er sich in Florence, eine seiner Stenotypistinnen:
„Ich bin verliebt. Ich kann da nichts ausrichten, Sie auch nicht. So weit ist es gekommen. Verliebt in diese Kleine, und jetzt ist es zu spät, und alles ist vorbei. Je mehr ich versuche, mich davon freizumache, desto mehr bin ich gefangen. Verrückt! Verrückt! Ich zittere in der Nacht, ich nheme mir vor, davon loszukommen, sie davonzujagen und wieder ich selbst zu werden.“
Süchtig nach Florence vergisst er seine langjährige Freundin Simone, die trotz allem zu ihm hält, weil sie ihn liebt. Sie bemerkt seine Veränderungen schon lange, bevor sie Brugnon überhaupt wahrhaben will. Er hat nur noch Augen für Florence, die zwar gern mit ihm ausgeht, mit ihm kokettiert, aber darüberhinaus nichts von ihm wissen will.
In der Tat ist der lesenswerte Roman das brillante Porträt eines Menschen, der seinen Traum vom Leben offensichtlich nie hinterfragt hat, keinen anderen als den vorher ausgedachten Weg kennt und mit Unvorhersehbarkeiten des Lebens völlig überfordert ist. Verrückt?!
Pierre Bost, Bankrott, a.d. Franz. übersetzt u. mit einem Nachwort versehen v. Rainer Moritz, Dörlemann Verlag, Zürich 2015, 253 S., ISBN 978-3-03820-018-5