Zsuzsa Bánk, Die hellen Tage

Zsuzsa Bánk, Die hellen Tage

„Ich kenne Aja, seit ich denken kann.“ So beginnt Bánks wunderbarer, warmherziger, heller Roman über die drei befreundeten Kinder Aja, die Ich-Erzählerin Siri und Karl, die in und um Kirchblüt ihre Kindheit und Jugend verleben, ziemlich frei, ungezwungen und unkonventionell.

„Das Seltsamste an Aja war ihre Mutter. … Aja lebte mit ihrer Mutter in einem Haus, das kein Haus war, nur ein Häuschen, gehalten von Brettern und Drähten, eine Hütte, an die neue Teile geschraubt wurden, wenn der Platz nicht mehr reichte, wenn es zu eng geworden war, selbst für die wenigen Möbel, die Ajas Mutter gehörten, für die Schachteln und Kisten, die sie stapelte, und die Schuhkartons, die sie sammelte, für die vielen Briefe, die sie drin aufbewahrte.“

Évi kann nicht lesen, nicht schreiben, aber wunderbar Geschichten erzählen, liebevoll mit Aja und ihren Freunden Siri und Karl umgehen, Kindergeburstage gestalten, wie sonst niemand, unbeeindruckt von den schiefen Blicken der Kirchblüter, die mit Évis Anderssein, ihrem Aussehen, ihrer bunten Kleidung, ihrer Art zu gehen, ihre Schwierig-keiten haben und Gerüchte über sie in die in die Welt setzen, die Aja und Évi gefährlich werden. Und Évi kann Karls Eltern, die am Verschwinden seines Bruders Ben fast zerbrechen, aus ihrer inneren Dunkelheit, aus dem Haus mit den verschlossenen Fensterläden ins Leben, in die Helligkeit zurückholen durch ihre eigenen Helligkeit und liebevolle Beharrlichkeit, die sie sich erhalten hat, trotz ihrer eigenen Angst vor Dunkelheit und Einsamkeit.

Und da ist noch Siris Mutter, früh Witwe geworden, die energisch für Évi eintritt, ihr Lesen und Schreiben beibringt und dafür sorgt, dass sie ihren Lebensunterhalt verdie-nen kann, denn Évis Mann Zigi kommt nur im Sommer für eine kurze intensive Zeit, um dann wieder als Artist in die Welt zu ziehen und Évi und Aja zurückzulassen.

Sie alle bilden einen fein miteinander verwobenen, eigenen Kosmos, in dem jeder auf den anderen acht gibt, auf dass er möglichst keinen Schaden nehme. Eine wunderbare helle Kindheit, in die nach und nach Geheimnisse einsickern, die das Dreickgefüge zwischen Aja, Karl und Siri erheblich belasten. Lange Zeit ist nicht klar, ob es nicht schon zerbrochen ist. „Selbst die hellen Tage hatten etwas verborgen und versteckt gehalten, … . Nichts war mehr wie es sein sollte.“

Es ist ein zart, poetisch, wortreich, in langen Sätzen und Aufzählungen erzählter Roman, der den Leser die verschiedenen Beziehungen aus Siris Perspektive miterleben lässt. Sie lassen einen selbst hell, warm werden, ohne dass der Roman die Grenze des Kitsches überschreitet.

Wirklich lesenswert – besonders in dunklerer Jahreszeit oder wenn’s in einem selbst mal nicht so hell ist. Vielleicht kann man von Évi lernen: „Die hellen Tage behalte ich, die dunklen gebe ich dem Schicksal zurück.“ Den Satz will sie auf ihrem Grabstein stehen haben.

Zsusa Bánk, Die hellen Tage, Roman, Frankfurt / M 2. Aufl. 2012, 541 S., ISBN 978-3-596-18437-8

 

5 Gedanken zu „Zsuzsa Bánk, Die hellen Tage

  1. Guten Abend,

    das ist ja wundervoll beschrieben. Jetzt muss man nur noch die Zeit finden, erstens das Buch zu suchen und zweitens zu lesen. Vielleicht kommt es auch einmal bei mir auf den Lesetisch.

    Viele Grüße und einen schönen Abend

    Monika

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