
Christine Wunnicke, Wachs

Die eine zeichnet mit Leidenschaft Blumen, die andere seziert ebenso leidenschaftlich Leichen, um deren Innenleben aus Wachs abzubilden und das schon im Kindesalter von etwa 12 Jahren. Ihre Suche nach Gegenständen ihrer Leidenschaft gestaltet sich schwieriger als die Suche nach bestimmten Blumen.
Christine Wunnicke erzählt eine in jeder Hinsicht ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Madeleine Basseport, der meisterlichen Blumenportraitistin, und der jüngeren Marie Biheron, der ersten weiblichen Anatomistin im vorrevolutionären Paris des 18. Jahrhunderts, in dem dann später auch die Kopfe rollen „wie abgeschlagene Blüten“.
Dabei steht die Liebesgeschichte nicht wirklich im Vordergrund, eher die beiden ungewöhnlichen Frauen, mit ihren Leidenschaften, die es mit Winkelzügen sogar schaffen zu heiraten (!). Sie verdienen damit ihren Lebensunterhalt, sind also unabhängig vom Einkommen eines Ehemannes, dennoch abhängig von Auftraggebern und leben in einer Gesellschaft, in der Frauen ihre Werke von männlichen Protegés signieren lassen müssen oder wie Marie überhaupt für ihre Anerkennung kämpfen müssen, da die Anatomie den Männern vorbehalten war, unabhängig von den Qualifikationen.
Madeleine gibt Zeichenunterricht für Mädchen. „Es lernten nur Mädchen in dieser Schule, und sie lernten nur Ornamentales …“ weil genau das gefragt war. Madeleines Lehrer hatte diese Schule einst gegründet
„und Madeleine zur Prinzipalin gemacht, ohne sie vorher zu fragen. Sie war keine gute Lehrerin und hasst das Ornamentale. Sie liebte die Natur, wie der Herr sie erschaffen hatte. Der Herr hatte keine Bordüren geschaffen und auch keine flottierenden Streublumen für den Tapetendruck.“
Dort lernen sich Madeleine und Marie kennen, wobei Madeleine schnell bemerkt, dass Marie keinerlei Fähigkeiten hat, Blumen zu zeichnen. Ihre Sicht auf die Welt ist einfach eine andere. Sie schenkt Madeleine zwei ihrer Zeichnungen, die einer Leber und eines Herzens, die Madeleine so kommentiert:
„Als Sie mir Ihre Zeichnungen zeigten, … sah ich Skizzen für ein Küchenstück. Ich wollte sagen: Marie, es ist aus der Mode, derartig Fleisch zu malen. Man tat das vor einem halben Jahrhundert. Man tat es in Holland. Man tut es nicht mehr, zumal nicht in Paris. Es ist zu dick und zu rot für unseren Geschmack. Wir lieben das Filigrane. Das wollte ich sagen. Ich erkannte nicht, was es war. Ich bin Ihre Lehrerin nicht.„
Doch Madeleine hat nicht mir Maries Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit gerechnet.
Marie Biheron und ihr Wachskabinett hat es offensichtlich gegeben. Doch von ihrer Arbeit ist nichts erhalten. Christine Wunnicke erinnert mit „Wachs“ an diese ungewöhnliche Frau und ihre Partnerin, auch wenn das, was sie über deren Leben im Jahr 1793/94 erzählt – Marie ist da inzwischen dreiundsiebzig Jahre alt – , „frei erfunden ist. Der Rest ist ebenfalls erfunden, auch wenn er in vielen Details den historischen Quellen folgt.“
Die Autorin gliedert ihren Roman in zehn Kapitel, die wohl rückblickend linear erzählt sind, dennoch immer wieder die zeitliche Perspektive wechseln, so dass man sich als LeserIn stets neu einfinden muss.
Macht aber nichts. Ich bin drangeblieben, wegen der Besonderheit und Ungewöhnlichkeit diese Romans. Es ist auch der erste Roman, den ich von dieser Autorin gelesen habe, die mit dem Roman „Die Dame mit der bemalten Hand“ auf der Shortlist für den deutschen Buchpreis stand.
Christine Wunnicke, Wachs, Roman, Berenberg Verlag, Berlin 2025, 188 S., ISBN 978-3-911327-03-9
4 Gedanken zu „Christine Wunnicke, Wachs“
Keine Lektüre für mich, doch DANKE für die Besprechung!
Kann ich verstehen, auch wenn ich deine Gründe nur vermuten kann.
Herzliche Grüße
Auch ich bin ziemlich skeptisch so einem Inhalt gegenüber und werde wohl auch lieber die Finger lassen von dieser Lektüre.
Deine Besprechungen lese ich aber immer gerne. :–)
Lieben Gruss, Brigitte
Ich mag halt ungewöhnliche Romane über ungewöhnliche Menschen, die in ihrer „normalen“ Umgebung so ihre Schwierigkeiten haben. Sie sind für „Vorreiterinnen“ der Gleichberechtigung, die leider immer noch nicht wirklich und überall, verwirklicht ist.
Herzliche Grüße, wieder garniert mit 🌞