Hannah Lühmann, Heimat

Hannah Lühmann, Heimat

„Heimat“ ist nach „Auszeit“ der zweite Roman der ehemaligen Kulturressorleiterin der Welt und der Welt am Sonntag, die jetzt als freie Journalistin arbeitet und Romane schreibt.

Wie in „Auszeit“ ist eine junge Frau Protagonistin dieses Romans, die sich mit Noah, ihrem Partner und Vater ihrer beiden Kinder und des noch Ungeborenen, in einem Neubaugebiet, weitab von der Stadt, in der Noah als Lehrer unterrichtet, ein Haus gekauft hat. Noch fühlt sich Jana in der neuen Umgebung und ihrer veränderten beruflichen Situation nicht wohl .
Sie hat – bis zu ihrem Umzug – in Vollzeit gearbeitet, hat ihre Kinder ganztags in der Kita untergebracht und will das auch nicht ändern, „auch wenn das keine der anderen Mütter hier so machte. Sie alle standen um spätestens vierzehn Uhr mit ihren Buggys, ihren Rollern und Brotdosen vor der Kita und schlossen ihre Kinder in die Arme.“ Dennoch ist das anfängliche Gefühl von Freiheit einer Lethargie gewichen, so dass sie die meiste Zeit auf dem Sofa liegt und auf ihrem Handy scollt.
Man merkt schnell, dass Jana mit sich, der neuen Situation nicht zufrieden ist und auch die Art, wie Noah und Jana miteinander umgehen, die offensichtliche Nichtkommunikation, das Vermeiden von „heißen Themen“ lässt nichts Gutes ahnen.

An einem der ersten Tage, an dem sie allein ist, sitzt Jana in einem Eiscafé und lernt dort Karolin kennen, ist von ihr in jeder Hinsicht fasziniert und geht auf ihre Kontaktangebote gerne ein. Karolin scheint ein perfektes Leben zu führen mit ihrem Mann Clemens, ihren fünf Kindern, dem Haus im Wald, ihrem – scheinbar ehrenamtlichen – Engagement im Dorf, dem Lesekreis für Mütter, ihren selbst gebackenen Kuchen – das alles im Netz gepostet, gefolgt von Tausenden von Followern. Jana ist glücklich dazugehören zu dürfen, und beginnt, an ihrer Lebensführung, ihrer Kindererziehung etc. zu zweifeln: Kita ja oder nein, Impfen ja oder nein, Fertiggerichte oder doch besser selbst gekochtes. Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt oder doch besser auf den eigenen Körper hören?
Insgesamt macht Jana einen recht unreflektierten Eindruck, so als wüsste sie für sich gar nicht, was sie eigentlich will, warum sie welche Entscheidungen getroffen hat. Auch die Entscheidung für das Haus und die Kündigung scheint nicht wirklich wohl getroffen zu sein. Ihre Beziehung zu Noah ist ein beziehungsloses Nebeneinander, kein Miteinander, wenig Nähe, Geborgenheit und gegenseitige Fürsorge.

Doch immer deutlicher werden Risse auch in den anderen Familien-Fassaden sichtbar: Karolin taucht für längere Zeit ab, ist nicht erreichbar, aber zu Hause, obwohl sie angegeben hat, mit der Familie in Urlab zu sein, weist bei einem Treffen blaue Flecke an ihren Armen auf. Der Mann von Becci – einer anderen Frau im Dunstkreis von Karolin – geht fremd und Noah teilt Jana eines Tages mit, er trenne sich von ihr – einfach so. Und darüber gesprochen wird auch nicht. Was für eine seltsame Welt!

Ach ja und dann gibt es da noch das Generationenthema in Form von Sabine, Janas Mutter, die sich in einen in Kalifornien lebenden Mann verliebt hat und ihn dort besuchen will. Und last but not least merkwürdige Andeutungen, wie Jana Clemens erlebt. Es wird nicht ausgesprochen, doch scheint sich da etwas anzubahnen, was der Rahmen des Romans nahelegt, der allerdings ziemlich mystisch, um nicht zu sagen „verquast“ daherkommt:
„In ihrem Herzen beginnt sich ein Gefühl der Ekstase auszubreiten. Es dehnt ihre Seiten, steigt ihr Schlüsselbein empor, lässt sie strahlen. … Endlich ist sie da, wo sie hingehört. … Jedes Teilchen im Universum hat seine Ordnung. Sie ist angekommen. Ihr sind Wurzeln gewachsen und ihr Geist fliegt.“
Ganz ehrlich ich habe nicht verstanden, wie es zu dieser Ekstase kommen konnte. „Er kommt.“ Damit ist Clemens gemeint und vielleicht ist das die Antwort?!

Nein, der Roman spricht zwar viele aktuelle Themen an: die Entwicklung der AFD in Ostdeutschland und die damit in Zusammenhang stehende Veränderung des Frauenbildes – Karolin ist z.B. auch der Meinung, eine Frau solle dem Mann gehorchen, so wie es in der Bibel steht – das ständige sich zur Schau stellen als Fassadenpolitur, Fragen der Kindererziehung, der Schulbildung, des Gesundheitswesens. Aber nichts wird wirklich nachvollziehbar dargestellt, entwickelt. Aber vielleicht zeigt das die Verwirrtheit dieser Generation, die scheinbar für sich keine wirklich nachvollziehbaren Wertvorstellungen haben, nach denen sich Handeln ausrichten ließe, aber viel Raum für diverse Irritationen und Verschwörungstheorien lässt und zeigt die mehr oder weniger verzweifelte Suche nach Antworten, die Jana dann wieder nur im Außen sucht und zu finden meint.

Mich hat der Roman nicht wirklich überzeugt, die einzige Spannung entsteht durch die nebulösen Andeutungen, dass mit dem Leben von Karolin und Clemens auch nicht alles so in Ordnung ist. Man hofft – ähnlich wie bei einem Krimi – auf Auflösung. Doch die gibt es nicht.
Das Ende bleibt so sehr in der Schwebe, dass zumindest mir die Phantasie über ein mögliches Ende fehlt. Kurzgeschichten mit ihren offenen Enden haben mich nie so ratlos zurückgelassen.

Hannah Lühmann, Heimat, Roman, hanserblau, München 2025, 170 S., ISBN 978-3-446-28282-7

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