Ich habe Tote

Ich habe Tote

ICH habe Tote, und ich ließ sie hin
und war erstaunt, sie so getrost zu sehn,
so rasch zu Haus im Totsein, so gerecht,
so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst
zurück; du streifst mich, du gehst um, du willst
an etwas stoßen, daß es klingt von dir
und dich verrät. O nimm mir nicht, was ich
langsam erlern. Ich habe recht; du irrst,
wenn du gerührt zu irgendeinem Ding
ein Heimweh hast. Wir wandeln dieses um;
es ist nicht hier, wir spiegeln es herein
aus unserm Sein, sobald wir es erkennen.
    Ich glaubte dich viel weiter. Mich verwirrt’s,
daß du gerade irrst und kommst, die mehr
verwandelt hat als irgendeine Frau.
Daß wir erschraken, da du starbst, nein, daß
dein starker Tod uns dunkel unterbrach,
das Bisdahin abreißend vom Seither:
das geht uns an; das einzuordnen wird
die Arbeit sein, die wir mit allem tun.

(Rainer Maria Rilke)

Traditionell ist für die meisten Menschen der November der Toten-Monat.
Für mich ist es eher der März:
der Söhne-Vater, mein Ehemann und zuletzt meine Mutter, heute vor sieben Jahren.
Sie alle leben hier nicht mehr,
sind aber auf je unterschiedliche Art weiterhin in mir lebendig
als ein Teil von mir, in mir,
der Wandlung unterworfen.

8 Gedanken zu „Ich habe Tote

  1. Auch der Frühling ist gut für solche Gedanken an die Lieben, die nicht mehr unter uns weilen.
    So schön dazu, dieser zarte Tulpenkranz!
    Einen lieben Gruss zu dir,
    Brigitte

    1. Ich erinnere mich, dass es mir nach dem Tod meines Mannes wirklich ein Trost war, dass die Tage spürbar länger hell waren. Dafür war ich echt dankbar.
      Den Tulpenkranz habe ich mit gemeinsam mit meiner Blumenhändlerin für die Beerdigung meiner Mutter entworfen. Sie hatten leider keine weißen, bereits aufgeblühte Lilien, die Lieblingsblumen meiner Mutter.
      Herzliche Abendgrüße

  2. So tief berührend, so andächtig,
    und wenn wir an unsere lieben Menschen denken, dann sind sie bei uns. Und selbst Zwiesprache scheint mir an manchen Tagen möglich zu sein …
    Herzliche Grüße,
    C Stern

  3. Ja auch mein Vater verließ uns im März. Ich versuche dennoch den Frühling zu feiern.
    Diese Zeilen von Rilke mag ich so und gerade die letzten berühren mich zutiefst.
    Ich denke an dich und deine vielen Lieben, die fehlen. Wir tragen sie in uns. liebe Grüße von Ellen

  4. Das eine schließt das andere ja nicht aus.
    Selbst in Momenten tiefster Trauer kann man/ ich Freude empfinden. Dass das so ist, sein kann, habe ich mit Erstaunen erlebt.
    Dir einen genussvollen Sonntag.

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