J. Courtney Sullivan, Fremde Freundin

J. Courtney Sullivan, Fremde Freundin

„Fremde Freundin“ ist ein Roman über die Verbindung zwischen Elisabeth, einer erfolgreichen Autorin, die mit ihrem Mann Andrew und dem gemeinsamen Sohn Gil von New York in Andrews Heimatstadt auf dem Lande gezogen ist, und Sam, der Kunststudentin, die sich ihr Studium mit Jobs u.a. in der Mensa finanzieren muss.

Elisabeth engagiert Sam als Babysitter, um Zeit für das Schreiben eines neuen Romans, eines neuen Buchs zu haben, von dem sie allerdings noch keine konkreten Vorstellungen hat. Elisabeth fällt es schwer, sich in der neuen Umgebung einzuleben, mit den neuen Nachbarn „warm“ zu werden. Die alten New Yorker Kontakte sind allerdings auch nicht mehr wirklich tragfähig, bis auf die Freundschaft mit Nomi, die noch in Brookly lebt, die sich jedoch fast nur noch über das Internet speist. Elisabeth fühlt sich entsprechend isoliert und einsam.

Ihre Schwiegereltern lehnt Elisabeth intuitiv ab, empfindet vor allem die Schwiegermutter als übergriffig, fühlt sich in einem örtlichen Literaturkreis nicht wohl und von ihrem Mann Andrew nicht gesehen, der sich ganz der Erfindung eines solarbetriebenen Elektrogrills widmet und mit ihr unbedingt noch ein weiteres Kind will.
Der Besuch der eigenen Eltern – einschließlich der aktuellen Geliebten ihres Vaters – und der Schwester mit Freund zu Weihnachten endet in einer familiären Katastrophe.

Sie bindet Sam zunehmend in ihre Kleinfamilie ein, wahrt also die Grenze als Arbeitgeberin nicht mehr und macht Sam zu ihrer Vertrauten, mit der sie Wein trinkend auf der Couch sitzt und sich Filme ansieht, ihr intimste Geheimnisse verrät, die sie gegenüber ihrem Mann hat. Gleichzeitig mischt sie sich zunehmend in Sams Leben ein, die einen Freund in England hat, von der Elisabeth glaubt, dass er nicht zu Sam passt. Diese wehrt sich zunehmend gegen Elisabeth und konfrontiert sie mit ihrem Verhalten:

„Elisabeth war entsetzt über sich. Sie benahm sich wie ihre Eltern. Mit derselben Übergriffigkeit. Auch sie bildete sich ein, zu wissen, was das Beste für andere war. Sam hatte das genau erkannt. Wie konnte es sein, dass Elisabeth, die sich ihr ganzes Leben lang bemüht hatte, ja nicht wie ihre Eltern zu werden, ihnen doch so ähnlich war.“ Eine Wende, die ich nicht wirklich überzeugend und glaubwürdig finde.

Insgesamt hat es mich eher gelangweilt, Erwachsenen zuzusehen, wie sie in vielerlei Hinsicht noch in Kinderschuhen stecken, kaum bis keine Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen, aus falsch verstandener Rücksicht mit anderen, aber eher aus Verschleierung der eigenen Feigheiten, ihnen nahestehende Menschen belügen und unfähig sind, miteinander klärende Gespräche zu führen und Konflikte auszuhalten.

Insofern ist der Roman sicherlich Ausdruck, Abbild weit verbreiteter gesellschaftlich üblicher Verhaltensweisen, tradierter Glaubenssätze und spiegelt die Auswirkungen gesellschaftlicher Ungleichheiten und deren Umgang damit wider – hier der amerikanischen Gesellschaft – vor allem dann, wenn man glaubt, sie durch Negieren überwinden zu können.

J. Courtney Sullivan, Fremde Freundin, Roman, a.d. Engl. v. Andrea O’Brien u. Jan Schröder, Paul Zsolnay Verlag, Wien 2021, 528 S., ISBN 978-3-552-07251-0

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