Rita Bullwinkel, Schlaglicht
Angeblich steht dieser Roman auf der Leseliste Barak Obamas. Ok, dann ist das so.
Warum, kann man vielleicht nach der Lektüre beurteilen.
Worum geht es in „Schlaglicht“?
Die Autorin erzählt von acht sehr jungen Frauen, die an dem Boxwettkampf „Daugthers of Amerika Cup“ für Frauen unter 19 Jahren teilnehmen, der in Bobs Boxpalast in Nevada stattfindet und die solange gegeneinander antreten, bis die Siegerin feststeht.
Ich hatte zunächst erwartet, dass eher vom Wettkampf selbst erzählt wird, doch im Fokus steht das, was die jungen Frauen dazu gebracht hat, zu boxen und an diesem Wettkampf teilzunehmen, welche Strapazen und Entbehrungen sie auf sich nehmen, und was für sie persönlich auf dem Spiel steht.
Und da hat jede ihre eigenen Motivation und (Vor-)Geschichte. Die Gedanken und auch Träume dieser Frauen vor, während und nach ihren Kämpfen nehmen entsprechend viel Raum ein.
Für jede ist es der Versuch, für oder gegen etwas, für oder gegen sich selbst, ihre Zuschreibungen als Mädchen in der amerikanischen Gesellschaft zu kämpfen, sich zu behaupten und für eine bessere, selbstbestimmtere Zukunft zu kämpfen.
Sie kämpfen „für ihre Welten, Welten, in denen ihre Körper in der Lage sind, Angst und Macht und Mythos hervorzurufen.“
Dabei entsteht gleichzeitig das Bild von Boxkämpfen als ein männerdominiertes Geschäft, das an den Teilnehmenden als Person nicht wirklich interessiert ist:
Bob, in dessen Studio die Kämpfe stattfinden „ist auch Trainer, aber er coacht grundsätzlich keine Frauen. Ihm ist egal, wer hier gewinnt. Sein Studio hatte für dieses Turnier einfach die perfekte Lage. Alle Trainer sind Männer und alle haben eigene Gyms und streichen Geld von den Mädchen ein, um es der Jugendliga für Frauen rüberzuschieben, die es dann wieder zurückschiebt, damit die Trainer Regionalturniere in Gyms ausrichten. … Die Trainer reisen mit den Mädchen zu den Turnieren, um ihre Schecks einzustreichen.“
Auch die Konditionen, die die Mädchen und jungen Frauen erfüllen müssen, sind vorgegeben und monetär geleitet:
„Sobald man der Jugendliga fürs Frauenboxen beitritt, zwingt einen dieser Pseudo-Sportverband 200 Dollar zu zahlen, für die man dann ein „kostenloses“ Abo eines Magazins bekommt. Darin werden die Mitgliederinnen porträtiert, junge Boxerinnen, eine nach der anderen. Da sieht man dann, wer alles so herumschwirrt, selbst wenn sie aus dem hintersten Winkel des Landes stammen, und man kann sich ausrechnen, wer als Nächstes antritt.“
Eine Anerkennung in finanzieller Form können die Teilnehmerinnen aufgrund der Herabwürdigung weiblicher Boxer nicht erwarten. Sie boxen also aufgrund eigener intrinsischer Motivation:
„Man kann für keine Sportart trainieren, wenn man nicht daran glaubt, dass man sein Schicksal selbst in der Hand hat. Sinn des Trainings ist, dass man durch das Trainieren den Verlauf seiner eigenen Zukunft beeinflußt. Man trainiert, weil man dadurch etwas, das man sonst verloren hätte, gewinnen kann.„
Insofern ist der Roman die Darstellung weiblicher Emanzipation, Willenskraft und Widerstandsgeist in einer von Männern dominierten Sparte. Das Credo wird in folgendem Satz zusammengefasst:
„Männer sind Sackgassen, aber Frauen sind unendlich.“
Ob man nach der Lektüre zum gleichen Fazit kommt, möge jede(r) selbst beurteilen.
Interessant ist der Aufbau des Romans. Erzählt wird der jeweils stattfindende Kampf in einer Kombination von genau beschriebenen Details des Wettkampfes wie in einer Sportberichterstattung sowie in Rückblenden und Vorausdeutungen auf die Zukunft der gerade teilnehmenden Boxerinnen.
Ein ungewöhnlicher, frisch und direkt, manchmal auch mit drastischen Metaphern erzählter Roman, der von Christiane Neudecker, einer Kickboxerin und Ringsprecherin, ins Deutsche übersetzt worden ist.
Rita Bullwinkel, Schlaglicht, Roman, a.d. Amerikanischen v. Christiane Neudecker, Aufbau Verlag, Berlin 2024, 235 S., ISBN 978-3-351-04100-01
2 Gedanken zu „Rita Bullwinkel, Schlaglicht“
Das scheint eine spannende und hintergründige Lektüre zu sein, selbst wenn man fürs Boxen so gar keine Begeisterung aufbringen kann. Der Titel scheint mir gut gewählt.
Danke für die feine Präsentation und lieben Gruss,
Brigitte
Boxbegeisterung habe ich auch nicht. Boxen wäre auch nicht mein Weg der Emanzipation gewesen. Aber es scheint ein möglicher.
Schicke dir heute Sonnengrüße.