
Ruth Hörnlein, Das Mädchen im gelben Tanzstundenkleid

Henny Maxrath, Historikerin an der Universität Erfurt, bekommt nach dem Tod ihrer ehemaligen Nachbarin Esther Seehagen ein Medaillon und ein Foto mit folgender handschriftlicher Botschaft geschenkt:
„Ein großes Unrecht ist geschehen. Rette meine Seele.“
Henny Maxrath fühlt sich aus alter Verbundenheit zu dieser Nachbarin, bei der sie als Kind häufig zu Besuch war, verpflichtet herauszufinden, was sich hinter dieser Botschaft verbirgt. Sie begibt sich auf Spurensuche, die mit diversen Schwierigkeiten verbunden ist, da sie, um Informationen bei Ämtern zu bekommen, ein berechtigtes Interesse nachweisen muss.
Mit einem hochtrabend daherkommenden Titel einer fingierten Forschungsarbeit, die allerdings vom Ministerium abgesegnet worden ist, versucht sie an persönliche Daten Esther Seehagens zu kommen.
Sie beginnt im Bürgeramt und trifft dort auf einen ziemlich skeptischen Beamten, Daniel Winter:
„Damit sind Sie im Ministerium durchgekommen?“, fragte er schließlich und blickte sie streng, aber auch ein wenig amüsiert an.
Dennoch hilft Daniel Winter ihr und sie verlässt das Bürgeramt mit Informationen, die sie in den nächsten Tagen nach Waldenburg fahren lässt, der Stadt in der das ihr hinterlassene Foto der Nachbarin laut Aussagen Daniel Winters aufgenommen worden ist, der offensichtlich selbst eine besondere Beziehung zu dem Ort hat, in dem Esther ihre Jugend verbracht hat, ohne dass er diese genauer zu erkennen gibt.
Und mit einem Mal taucht er auch in Waldenburg auf und will Henny Maxrath bei ihren Recherchen unterstützen, was sie zunächst ablehnt, dann aber doch darauf eingeht, als sie merkt, dass er Beziehungen hat, die ihr nützlich sein könnte .
Aber nicht nur deshalb. Schon früh erkennt man, bei genauerem Lesen, dass vor allem Henny nicht nur Interesse an dem „Fall Esther Seehagen“ hat, sondern auch Daniel, ist aber sehr bemüht, das nicht sichtbar zu machen. Daraus ergibt sich dann also ein weiterer Handlungsstrang, der ergänzt wird durch immer mehr Informationen über Daniel Winter, von denen er selbst Henny gegenüber nichts erzählen will.
Das Thema dieses Debütromans finde ich interessant, die Spurensuche, die Erstaunliches und Ungeheuerliches zu Tage fördert, das so eigentlich nur in der Nazizeit hat passieren können mit der Verfolgung von Juden und ihrer Denunziation durch die deutsche Bevölkerung, die sich nicht selten davon einen auch persönlichen Vorteil davon versprach.
Die Verknüpfung mit der eher unbeholfenen Liebesgeschichte zwischen Henny und Daniel finde ich wenig gelungen, da zum Teil schon sehr früh vorhersehbar und dennoch zum Teil nicht nachvollziehbar, da die Autorin bei der Darstellung von Personen ziemlich an der Oberfläche bleibt, was dem eher verschlossenen Charakter Daniels wohl entspricht, aber die dann doch eher sich schnell entwickelnde Liebesbeziehung nicht glaubhaft macht.
Ausführliche Beschreibungen von Orten, dem Reisegepäck Hennys einschließlich der Nennung von Markennamen und Modellbzeichnungen von Stühlen z.B. im Bürgeramt sind Informationen, die ich persönlich für überflüssig und nicht handlungstragend halte, es sei denn man geht davon aus, dass bestimmte Marken Rückschlüsse auf Charaktere zulässt.
Metaphern erschließen sich mir dann auch nicht immer:
„Henny schwieg ebenfalls, sodass die Frage wie eine surrende Libelle in der Luft schwebte und bedrohlich schillerte.“
„Als er sie endlich ansah, schimmerten seine braunen Augen düster. Trübe tiefe Brunnen voller ernster Echos.“
Aber natürlich ist das persönliche Geschmacksache.
Ja, dieser Roman ist ein „Debütroman über ein rätselhaftes Vermächtnis über Liebe und Verrat.“ Er verdeutlicht, dass Vergangenheit zwar vergangen ist, dennoch die Folgen vergangener Handlungen sich über Generationen hinziehen und nach wie vor wirkmächtig sind. Insofern ist es sicher ein lesenswerter Roman.
Ruth Hörnlein, Das Mädchen im gelben Tanzstundenkleid, Ars Vivendi, Cadolzburg 2025, 299 S., ISBN 978-3-7472-0467-2
2 Gedanken zu „Ruth Hörnlein, Das Mädchen im gelben Tanzstundenkleid“
Danke für diese detaillierte Besprechung eines Romans einer für mich unbekannten Autorin. (Man kann sich dabei ein fast schon klares Bild des Inhalts machen.)
So richtig warm wird mir jedoch nicht beim Lesen, also werde ich das Buch wohl eher nicht erwerben.
Dir einen frohen Maientag und herzlichen Gruss,
Brigitte
Das verstehe ich gut.
So richtig begeistert war/bin ich ja auch nicht, dann kann ich auch keine Besprechung schreiben, die einen warm werden lässt ;)
Liebe Grüße