Verena Lueken, Alte Frauen

„Wenn wir sechzig und als Frauen schließlich völlig nutzlos für die Natur geworden sind, … sind wir endlich frei. Sechzig ist die Schwelle zur Freiheit.“
So zitiert Verena Lueken Isabella Ducrot, die in diesem Alter Kunst zur Kunst kam.
Es geht in diesem Buch nicht um alte Frauen allgemein – wie ich zunächst gedacht habe – sondern um Frauen, die im Alter begonnen haben, sich zu zeigen, mit dem was sie auszeichnet: mit ihrer Kunst, ihrer Art zu leben und zu lieben, ihrem Feminismus, ihrer Unangepasstheit.
Verena Lueken scheint davon auszugehen, „je älter die Frauen werden, desto mehr verschwinden sie in der Öffentlichkeit. Und tauchen erst wieder auf, wenn sie auf die hundert zugehen oder als Exzentrikerinnen auf Tik Tok Karriere machen.“ So zu lesen im Klappentext.
Meine Wahrnehmung ist inzwischen eine andere, doch das steht hier nicht zur Diskussion.
Verena Lueken portraitiert in „Alte Frauen“ die Lebensentwürfe von sehr unterschiedlichen Frauen, die sie – meist in ihren Wohnungen – besucht und interviewt. Sie spricht auch von ihrer Recherchearbeit, den Kontaktversuchen zu den Frauen, die sie besuchen wollte und dann manchmal nicht besucht hat oder auch nicht mehr besuchen konnte, weil diese inzwischen verstorben waren.
So ist ihr das mit Etel Adnan ergangen, auf die Verena Lueken erst durch Buch von ihr aufmerksam gemacht wurde, das ihr jemand geschenkt hat. Doch da war Etel Adnan bereits tot. Geblieben sind ihr u.a. dieses Gedicht:
The morning after
my death
we will sit in cafés
but I will not
be there
I will not be.
Manche Portraits sind mir zu detailliert in der Beschreibung dessen, was z.B. eine Frau an Filmen produziert hat, die ausführlich beschrieben werden. Ich bin dann eher an den Leben dieser Frauen interessiert. Für ihre Werke kann ich mir dann anschließend ein Bild machen, wenn ich es denn möchte.
Zum Schluss hin haben mich dann die Beschreibungen zunehmend mehr interessiert und ich habe das Buch ohne längere Lesepausen zu Ende gelesen. Und es bietet sich ja auch an, zwischen den einzelnen Portraits Pausen einzulegen.
Inspirierende Impulse gab es so einige. Mir gibt ein Sartre Zitat Anlass, zu überlegen, wie halte ich es denn mit meinem Leben im Alter:
„Unsere Freiheit liegt in unserem Vermögen, zu reagieren und zu verändern, was aus uns werden wird.“
Dann ist Alter nur eine Zahl, die allerdings beinhaltet, mit dem zu sein, was ist, und das, was ist, zumindest als Ausgangspunkt zu akzeptieren.
Das Buch wurde als Sachbuch für den diesjährigen Bayrischen Buchpreis nominiert.
Verena Lueken, Alte Frauen, Ullstein Verlag, Berlin 2025, 314 S., ISBN 978-3-550-20426-5
Ein Gedanke zu „Verena Lueken, Alte Frauen“
Ein, wie mir anhand deiner Besprechung scheint, interessantes Buch über die Jahre jenseits der sechzig oder siebzig.
Vielleicht hat man es ein Stück selber in der Hand, ob und wie man gesehen wird oder eben nicht.
Einfach ist dieser Lebensabschnitt auf keinen Fall. Nichts ist mehr selbstverständlich, was es früher mehrheitlich war. Und die körperlichen Einschränkungen sind auch nicht zu unterschätzen.
Hab Dank für die ausgewogene Buchvorstellung!
Und sei lieb gegrüsst!
Herzlich, Brigitte