Andreas Altmann, Gebrauchsanweisung für das Leben

Andreas Altmann, Gebrauchsanweisung für das Leben

„Oft suche ich mir Themen, die mich überfordern.“ Das ist Andreas Altmanns erster Satz im Vorwort zu dieser Gebrauchsanweisung.

„Jetzt also – Gipfel des Übermuts – eine Gebrauchsanweisung für das Leben. Gleich beim ersten Aussprechen des Titels fing ich an zu zittern, denn life ist bigger than you! Himmel, wie soll einer mit dem schwerwiegendsten, dem geheimnisvollsten, dem unfassbarsten und sensationellsten Wort umgehen, das je in einer Sprache vorkam? Hinter welchen fünf Buchstaben stehen mehr Fragezeichen? Mehr Glück? Mehr Abgründe? Mehr Heldentaten und Niedertracht? Mehr Genialität und Wahnsinn? … Das LEBEN, klar.“

Doch Altmann geht die Aufgabe auf typisch Altmannsche Art und Weise an. Wort- und sprachgewaltig erzählt, berichtet er von Episoden aus seinem Leben – seine Leser werden das ein oder andere aus seinen früheren Büchern bereits kennen – die unter bestimmten Aspekten erzählt werden (u.a.):

KINDHEIT
ANGST
EROS
RELIGION
SCHMERZ
HEIMAT
SPRACHE, TOD UND LIEBE

Und man merkt, Altmann ist ein Getriebener, ins Leben mit all seinen Facetten Verliebter, immer auf der Suche nach dem direkten, intensiven, unmittelbaren Leben:

„Stets bilde ich mir ein, dass mein Leben mir zusieht. Das ist ein schräger Satz, doch so empfinde ich es: Mein Leben beobachtet mich und fragt, jeden Tag, ob ich mich seines Geschenkes würdig erweise.“

Nichts wäre für ihn schlimmer als ein „Leben als Leiche“, eins das schon zu Lebzeiten verkümmert ist.

„Das Leben will geliebt werden. Sonst lahmt es.“ Und fast alles, was ihn darin unterstützt, ist ihm willkommen: Schriftsteller, Menschen, denen er begegnet, die er beobachtet, die etwas ihn ihm bewirken, von denen er lernen kann, wach, mutig, sensibel zu sein, zu werden.

Ein waches Leben ist ein intensives, eins das hinschaut, aushält, verarbeitet, zum Nachdenken, Handeln anregt, auffordert. Insofern ist dieses Buch vielleicht doch eine Art „Gebrauchsanweisung für das Leben“. Es hält neben Geschichten und den zum Teil sehr berührenden „Ein Moment im Leben“ – immer wieder eingeschobene Miniaturen über bewegende Alltagsszenen – genug Altmann Kommentare, (Be-) Wertungen, die einen herausfordern, sich die berühmte, ein wenig abgewandelte Gretchenfrage zu stellen:

Und wie halte ich es mit dem Leben – mit meinem Leben?

Oder bin ich einer von denen, die nicht so gut wegkommen wie die „über dreißig Mordsdicke(n) saßen da, mit schwer vom Wohlstand gezeichneten Gesichtern und Körpern“, die vielen beschriebenen Untoten, die trägen „Mehlsackköpfe“ mit ihren „Mehlsackkörpern“.

Bin ich bereit, die „Eintrittspreise“ fürs Leben zu zahlen?

„Hintern heben, eine Ration Schneid mitbringen, Alleinsein durchstehen, Sich-Verlaufen riskieren, Sich-Blamieren verkraften, Bruchlandungen als Wegweiser erkennen, um Hilfe bitten können, … kein verzitterter Hampelmann sein wollen, sich nicht um die Hysterien des großen Haufens scheren und niemals aus den Augen verlieren, wie wertvoll (auch) das eigene Leben ist. Das nie wiederkommt. …
Der Mensch wird anfangen, sich vor den Kanonaden maßlosen Schwachsinns wegzuducken. Und zu leben beginnen.“

In diesem Sinne ist „Gebrauchsanweisung für das Leben“ ein flammendes Plädoyer fürs Leben und eine Aufforderung an jeden einzelnen, zu überprüfen, ob und wie er lebt.
Es wird wieder ein Buch sein, an dem sich die Geister scheiden. Und das ist gut so!

Andreas Altmann, Gebrauchsanweisung für das Leben, Piper Verlag München/Berlin 2017, 232 S., ISBN 978-3-492-27686-3

3 Gedanken zu „Andreas Altmann, Gebrauchsanweisung für das Leben

  1. Erging mir – zumindest – anfangs bei der Lektüre ähnlich.
    Doch seine Liebeshymne an die (deutsche) Sprache und das Kapitel über den Tod haben mich dann doch wieder in ihren Bann gezogen. Ermüdend finde ich dann sein Herabschauen auf andere, obschon ich mich manchmal selbst dabei ertappe ;)
    Ist vielleicht eher eine Lektüre für Altmann-Anfänger ;)

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