
Amanda Cross, Der James Joyce-Mord

Kate Fansler verbringt den Sommer auf dem Lande in dem kleinen Dorf Araby. Dort will sie mit Unterstützung Emmets, eines Doktoranden, den Nachlass des Verlegers Samuel Lingerwells sichten, der auch James Joyces Werke herausgegeben hat. Dieser Nachlass befindet sich in dem Haus des verstorbenen Verlegers, das Kate den Sommer über nutzen kann. Begleitet wird sie von ihrem Neffen Leo und dessen Hauslehrer William.
Reed, der mit ihr befreundete Bezirksstaatsanwalt, kommt sie besuchen, später dann noch zwei Professorinnen. Kate befindet sich also in illustrer Gesellschaft. Im Haus geht es zu wie in einem Bienenstock, man kommt und geht, denn die Türen auf dem Lande sind nicht verschlossen. So unterschiedlich die Bewohner und Besucher sind, so einig sind sie sich in der Beurteilung oder besser gesagt Verurteilung von Mary Bradford, einer Nachbarin, die ihre Zunge nicht im Zaum halten kann, über die Maßen neugierig ist und ständig Zwietracht sät:
„Wenn dieser Frau der Zutritt in diesem Hause weiterhin gestattet ist, werde ich um meine Entlassung bitten müssen. Widerstrebend … denn es handelt sich um eine faszinierende Sammlung. Da gibt es einen Brief – aber ich vertrage es nicht, dass diese Frau über mir hängt, als wäre ich ein Pudding, um diese oder jene außerordentlich interessante Neuigkeit über Sie wie Rosinen aus mir herauszupicken. „
Kate schlägt Emmet vor, Gerüchte über sie in die Welt zu setzen, damit es Mary Bradford die Sprache verschlägt: „Erzählen Sie Mrs. Bradford, dass Leo mein uneheliches Kind ist, dass ich seinen Vater ermordet habe und dass ich hier meine Kolonie der Lustknaben aufbaue, weil ich eine neue Religion gründen will.“
Doch Emmet glaubt nicht, dass das wirkungsvoll sein wird:
„Das Einzige, was dieser Frau die Sprache verschlagen kann, ist eine Kugel in den Kopf und selbst dann wird sie aus reiner Gewohnheit die Lippen noch weiterbewegen.“
Und genau das passiert. Mary Bradford stirbt durch eine Kugel in den Kopf. Dringend tatverdächtig sind Kates Neffe Leo und sein Betreuer William, da die beiden regelmäßig Schießübungen mit dem Gewehr gemacht haben. Und davon wussten alle im Dorf. Nur war die Waffe nie geladen und welches Motiv sollten die beiden haben?
Die Suche nach dem Mörder beginnt und führt über sehr verschlungene Wege. Ein Verdächtiger nach dem anderen taucht auf, gibt es doch viele, die ein Motiv hätten, die allerdings unterschiedlicher nicht sein könnten. Lange Zeit tappt man wie die Polizeibeamten, denen Kate wie auch schon in ihrem ersten Fall nicht allzuviel zutraut, im Dunkeln, es sei denn man hat sehr, sehr aufmerksam gelesen.
Dieser Krimi zieht sich zu Beginn ziemlich in die Länge, eine Spekulation wird an die nächste gereiht, ohne überhaupt irgendwelche Anhaltspunkte zu haben. Denn „es ist fast unmöglich herauszubekommen, wer die Kugel in den Lauf geschoben hat.“
„Sätze voller Paranthesen, nochmaliger Steigerungen, durchsetzt von perodischen Gefügen“ so kennzeichnet Kate ihren Sprachstil, dessen Beschreibung in weiten Teilen auch für den Schreibstil dieses Romans zutrifft, sicher ein wenig gewöhnungsbedürftig für die meisten KrimileserInnen.
Wer den Fokus nicht auf das Genre „Kriminalroman“ legt, hält mit „Der James Joyce-Mord“ dennoch einen interessanten, unterhaltsamen Roman in der Hand, in dem man eine Menge über das Konkurrenzverhalten, den Publikationsdruck und die Postenverteilung im Universitätsgefüge erfährt, in dem Frauen es immer noch schwer haben, sich zu behaupten. Nicht zufällig sind die Professorinnen dieses Romans unverheiratet.
Amanda Cross, Der James Joyce-Mord. Ein neuer Fall für Kate Fansler, Dörlemann Verlag Zürich 2021, 287 S. ISBN 978-3-03820-096-3
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