Anke Velmeke, Luftfische

Anke Velmeke, Luftfische

„Luftfische“ ist die Geschichte einer kleinbürgerlichen Dachdeckerfamilie in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts, genauer gesagt, der allmähliche Zerfall dieser Familie. Erzählt wird sie überwiegend aus der Perspektive der Tochter Lene, die es mit einer verhärmten Mutter, zwei Brüdern und einem unberechenbaren schlagenden Vater mit „Verbotsgesicht“ zu tun hat.
Was passiert? Im Grunde genommen gar nichts und doch wiederum sehr viel. Es ist ein an äußerer Handlung armer Roman, der Einblicke gewährt in ein Familiendrama, das sich sehr leise, von Außenstehenden unbemerkt, entwickelt. Lene ist die Einzige , die sich gegen die „Wutmaschine“ wehrt, wenn er sie schlägt. Sie tritt zurück, weil ihr eingefallen ist, „wo der Mann die empfindlichste Stelle habe, seine Schnecke, Nacktschnecke, wo seine Schneckenhaftigkeit zu Tage träte, schutzlos, wunderbar frei, allem ausgesetzt.“ Irgendwann beschließt sie, nicht mehr mit ihm zu reden. Seitdem herrscht Schweigen zwischen ihnen. Sie waren „die Meister des Schweigens. … Eng beeinander verliefen ihre Lebensläufe; sie parallelisierten sie, ließen keine Abweichung zu, damit sie sich nie, weder jetzt noch irgendwann, in einer der Zukünfte, kreuzten.“
Alle leiden unter diesem Mann, der im Gegensatz zu allen anderen Familienmitgliedern keinen Namen hat bzw. namentlich nicht genannt wird. Die Mutter, eine „Haus-Frau, sie gehörte dem Haus, das sie nicht mehr hinausließ“, wird immer substanzloser, trinkt, raucht, findet sich mit seinen Geliebten ab: “ immerhin half ihr die Rivalin die Manneslast tragen, hielt den Mann fern vom Haus, wo er nicht gern gesehen war, turnte mit ihm auf plastikbezogenem Sofa herum, das war gut für Kreislauf und Wohlbefinden“.
Interessant an diesem Roman sind die Erzählperspektive, die Sprache, die sehr genau beschreibt, teilweise in fast nicht endenwollenden Aufzählungen, die aber nie die Gefühle der Beteiligten preisgibt. Die muss der Leser ergründen.
Ein ungewöhnlicher Roman, aufgrund der Handlungsarmut nicht immer leicht zu lesen, dennoch empfehlenswert für diejenigen, die Spaß an Sprache und an ihrer Vielfalt haben.

Anke Velmeke, Luftfische, München 2000, 156 S., ISBN 3 406 46206 5 (mittlerweile als Tb erhältlich)

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