Arthur Schnitzler, Casanovas Heimfahrt

Arthur Schnitzler, Casanovas Heimfahrt

„IN SEINEM DREIUNDFÜNFZIGSTEN LEBENSJAHRE, als Casanova längst nicht mehr von der Abenteuerlust der Jugend, sondern von der Ruhelosigkeit nahenden Alters durch die Welt gejagt wurde, fühlte er in seiner Seele das Heimweh nach seiner Vaterstadt Venedig so heftig anwachsen, dass er sie, gleich einem Vogel, der aus luftigen Höhen zum Sterben allmählich nach abwärts steigt, in eng und immer enger werdenden Kreisen zu umziehen begann.“

Doch Casanova kann nicht einfach so nach Venedig zurückkehren. Er ist aus den Bleikammern der Stadt geflohen und könnte nur aufgrund einer Begnadigung zurückkehren, auf die er inständig hofft. Seine Geldmittel sind knapp, sein äußerer Glanz, sein Ruhm zudem nahezu verblasst. Zwar finden ihn immer noch Frauen attraktiv, aber nicht mehr die, die er haben will.

Da trifft er im Hause eines ihm bekannten Ehepaares, die Ehefrau war (natürlich) einst seine Geliebte, auf dessen Nichte Marcolina, ein „in mattschimmerndes, einfach hinunterfließendes Grau gekleidetes Mädchen von zierlicher Gestalt, das ihn mit unbefangenem Blick betrachtete, als wäre er jemand, der zum Hause gehörte …

© Cynthia Kittler/ Edition Büchergilde

Dass sich in ihrem Blick nichts von jenem Leuchten zeigte, wie es ihn früher so oft begrüßt, auch wenn er als Nichtgekannter im berückenden Glanz seiner Jugend oder in der gefährlichen Schönheit seiner Mannesjahre erschienen war, das musste Casanova freilich als eine längst nicht mehr neue Erfahrung hinnehmen.“

Doch auch bei der Nennung seines Namens ändert sich der Blick nicht. Das verletzt und ärgert ihn, auch wenn er sich nichts anmerken lasst und beginnt mit seiner Verführungskunst. Und scheitert.

Sie ist ihm zudem intellektuell überlegen. Das bekommt er zu spüren, als er von seinen philosophischen Arbeiten redet, und sie beginnt, sich argumentativ damit auseinanderzusetzen. Das ist er von Frauen nicht gewöhnt, stachelt aber seine Phantasie um so mehr an:

© Cynthia Kittler/ Edition Büchergilde

Als er dann auch noch in einem sehr viel jüngerer Mann, Leutnant Lorenzi, den heimlichen Geliebten Marcolinas vermutet, will er den Konkurrenten ausschalten. Er muss das Mädchen als Geliebte haben, koste es, was es wolle. Und er lässt es sich etwas kosten, setzt sogar sein Leben aufs Spiel.

Die bereits im Sommer 1918 entstandene Novelle Arthur Schnitzlers ist furios gut, psychologisch spannend und nachvollziehbar erzählt und in Teilen immer noch aktuell.

Cynthia Kittler hat mit viel Einfühlungsvermögen und Kenntnisreichtum diese Novelle illustiert und mit ihren Bildern der Kern der jeweiligen Passagen gekonnt und „frech“ in Szene gesetzt. Sie schreibt im Anhang, wie sie sich diesem Werk genähert hat, und zeigt Möglichkeiten auf, die Romanfiguren in die heutige Zeit zu übertragen.

In ihn Illustrationen hat sie diesen Schritt dann nicht villzogen. Was mir außerordentlich gut gefällt. So bleibt es dem Leser dieser Novelle überlassen, Parallelen zu finden.
Ein Buch für alle Schnitzler-Liebhaber und für Leser, die an den seelischen Landschaften einer Person, hier die des alternden Casanovas interessiert sind.

Arthur Schnitzler, Casanovas Heimfahrt, illustriert von Cynthia Kittler, Edition Büchergilde, Frankfurt/M. 2016, 213 S., ISBN 978-3-86406-061-8

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